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"Schmiergeld" an Orban? EU gibt eingefrorene Milliarden für Ungarn frei

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Orban behauptete zuletzt, auch nach einer Freigabe von Geldern beim Thema Ukraine nicht klein beigeben zu wollen.

Orban behauptete zuletzt, auch nach einer Freigabe von Geldern beim Thema Ukraine nicht klein beigeben zu wollen.

(Foto: picture alliance / AA)

Seit Jahren wirft die EU Budapest vor, Standards und Grundwerte der Union zu untergraben. Nun kommt Brüssel Ungarns Präsident Orban entgegen und gibt eingefrorene EU-Gelder frei. Der Schritt sorgt kurz vor dem EU-Gipfel zur Ukraine für Kritik.

Die Europäische Kommission gibt zehn Milliarden Euro an eingefrorenen EU-Geldern für Ungarn frei - trotz anhaltender Kritik an der Rechtsstaatlichkeit in dem Land. Die Brüsseler Behörde begründete den Schritt damit, dass Ungarn die erforderlichen Voraussetzungen dafür erfüllt hat. Weiter blockiert bleiben andere Haushaltsmittel in Höhe von knapp zwölf Milliarden Euro sowie milliardenschwere Corona-Hilfen.

EU-Justizkommissar Didier Reynders erklärte, Ungarn habe mit den jüngsten Justizreformen alle vereinbarten Anforderungen erfüllt und es gebe nun ausreichend Garantien dafür, dass man sagen könne, die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn werde gestärkt. Die heutige Entscheidung sei jedoch nicht das Ende des Prozesses. Man werde die Lage weiterhin aufmerksam beobachten und frühzeitig reagieren, falls es Rückschläge geben sollte.

Gibt Ungarn seine Blockadehaltung auf?

Mit Spannung wird nun erwartet, ob sich die Freigabe der Gelder auf die vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban angedrohte Blockade beim anstehenden EU-Gipfel auswirken wird. Bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine entscheiden. Außerdem wird es beim Treffen um die Bearbeitung des langfristigen EU-Haushalts für den Zeitraum 2021 bis 2027 gehen. Ungarn hat allerdings bei beiden Themen mit einem Veto gedroht.

Am Abend bekräftigte Orban seine Skepsis gegenüber einem Beitritt der Ukraine zur Union. "Unsere Haltung ist klar. Wir unterstützen einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine nicht", erklärte der Ministerpräsident auf Facebook. Ein solcher Schritt "hätte unabsehbare Folgen und würde weder den Interessen Ungarns noch der Europäischen Union dienen", sagte er Orban zuvor im Parlament in Budapest.

In den vergangenen Tagen hatte Orban argumentiert, dass der Vorschlag der EU-Kommission für den Start von Beitrittsverhandlungen nicht vereinbar mit einem Gipfelbeschluss aus dem Juni 2022 sei. Er spielte damit darauf an, dass die Brüsseler Behörde den Start ungeachtet von noch nicht ganz erfüllten Reformauflagen empfiehlt. In dem Gipfelbeschluss steht aber, über weitere Schritte im Beitrittsprozess solle erst entschieden werden, wenn "alle diese Bedingungen vollständig erfüllt sind". Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Start von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem ein symbolischer Schritt wäre, da die Gespräche viele Jahre dauern dürften und ein Beitritt der Ukraine vor einem Ende des russischen Angriffskriegs so gut wie ausgeschlossen ist. Den Kommissionsvorschlag zum Haushaltsentwurf bezeichnete er als substanzlos, unausgewogen und unrealistisch.

Unklar blieb zuletzt, ob Orban damit nur den Druck erhöhen wollte, um an die eingefrorenen Fördermittel für sein Land zu kommen. Manche EU-Diplomaten halten dies für denkbar, andere verweisen darauf, dass Orban zuletzt behauptet hat, auch nach einer Freigabe von Geldern beim Thema Ukraine nicht klein beigeben zu wollen.

"Schmiergeld an Putin-Freund"

Aus dem Europaparlament kam scharfe Kritik an der Entscheidung der EU-Kommission. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte: "Ursula von der Leyen bezahlt heute mit zehn Milliarden Euro das größte Schmiergeld in der Geschichte der EU an den Autokraten und Putin-Freund Viktor Orban." Auch die Fraktionsspitzen von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im Europaparlament hatten der Behörde vorgeworfen, die Gelder zu Unrecht freizugeben.

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Aus der EU-Kommission hieß es dagegen: Wenn man sich nicht selbst angreifbar machen wolle, dürfe man die zehn Milliarden Euro nach den jüngsten ungarischen Reformen nicht weiter zurückhalten. Ärgerlich sei allerdings, dass die Entscheidung nun direkt vor dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag getroffen werden müsse und nun der Eindruck entstehe, dass es einen Zusammenhang mit Blockadedrohungen des ungarischen Ministerpräsidenten geben könnte.

Die EU hatte die Mittel in Höhe von rund 22 Milliarden Euro blockiert wegen Bedenken, dass unter Regierungschef Orban zu wenig gegen Korruption und für die Wahrung des Rechtsstaats getan wird. Die EU-Kommission wirft Ungarn seit Jahren vor, EU-Standards und Grundwerte zu untergraben. Die Behörde startete etliche Vertragsverletzungsverfahren und verklagte Ungarn mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof.

Quelle: ntv.de, uzh/dpa

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