Weg aus der Schuldenkrise EU macht einen Anfang
21.05.2010, 18:05 Uhr
Nach der Sitzung der Finanzminister gaben Schäuble und seine französische Kollegin Christine Lagarde eine gemeinsame Pressekonferenz. Üblich ist das nicht: Normalerweise treten die Minister einzeln auf.
(Foto: dpa)
In der größten Krise seit ihrem Bestehen bringt die Europäische Union nach dem Euro-Rettungsschirm eine solidere Haushaltspolitik auf den Weg. Der Sinn für die Dringlichkeit der Reformen sei groß, sagt Ratspräsident Van Rompoy. Schon bis Oktober sollen konkrete Pläne vorliegen.
In Brüssel haben die EU-Finanzminister erstmals in einer Arbeitsgruppe über eine schärfere Überwachung der nationalen Haushalte und härtere Strafen für notorische Defizitsünder beraten. Dabei einigten sie sich grundsätzlich auf eine striktere Kontrolle der Haushaltspolitik und eine engere Verzahnung der Wirtschaftspolitik. Der deutsche Bundestag hatte zuvor milliardenschweren Bürgschaften zur Absicherung von pleitebedrohten Euro-Staaten zugestimmt.
Ursache der Krise ist die jahrelange Nachlässigkeit vieler EU-Staaten in der Haushaltspolitik. Die Regierungen sollen sich daher künftig einer schärferen Kontrolle durch die EU unterwerfen und ihre Wirtschaftspolitik enger abstimmen. Denn die Schuldenprobleme rühren vor allem von der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit südeuropäischer Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien her.
"Hohes Maß an Einigkeit"
Mit tiefgreifenden Reformen sollen die EU-Staaten jetzt einen glaubwürdigen Sanierungspfad einschlagen. Bei der ersten Sitzung der EU-Finanzminister in der Arbeitsgruppe unter Leitung des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy legten die Minister neben den grundsätzlichen Zielen auch einen Kurs fest, wie diese umgesetzt werden sollen.
Auf Vorschlag Frankreichs wollen sich die EU-Staaten kurzfristige Änderungen im Rahmen des bestehenden Rechts so schnell wie möglich vornehmen. Doch soll auch über weitergehende Konsequenzen gesprochen werden, für die eine Änderung des EU-Vertrages nötig wäre. Es habe hierüber ein hohes Maß an Einigkeit geherrscht, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Euro-Stabilitätspakt war 2005 auf Betreiben von Deutschland und Frankreich aufgeweicht worden.
"Sinn für Dringlichkeit der Reformen ist groß"

Die Finanzminister George Osborne (Großbritannien), Josef Pröll (Österreich) und Tonio Fenech (Malta) im Gespräch mit Wolfgang Schäuble.
(Foto: REUTERS)
Es stehe fest, dass es in Zukunft mehr Sanktionen gegen Defizitsünder geben werde als bisher im Pakt vorgesehen, sagte Van Rompuy. Der Sinn für die Dringlichkeit der Reformen sei so groß, dass auch Wahltermine die Euro-Staaten nicht von einem schnelleren Abbau ihrer Verschuldung abhalten würden.
Die Arbeitsgruppe soll sich bis Oktober auf konkrete Änderungen einigen. Ein Zwischenbericht soll zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Juni vorgelegt werden. Van Rompuy bekräftigte diesen ehrgeizigen Zeitplan und kündigte an, vor der Sommerpause werde es noch zwei Treffen der Arbeitsgruppe geben. Das nächste Mal am 7. Juni am Rande des regulären Treffens der Eurogruppe und des Ecofin in Luxemburg.
Skepsis bei weitergehenden Vorschlägen
Neben der EU-Kommission, die das alleinige Vorschlagsrecht für Gesetze in der EU hat, hat auch die Bundesregierung einen Katalog von Reformvorschlägen erarbeitet. Beide Konzepte stimmen in weiten Teilen überein und fordern, die EU-Haushaltsregeln verbindlich in der nationalen Haushaltsplanung zu verankern, Strafen beim Überschreiten der Drei-Prozent-Defizitgrenze zu verschärfen und früher zu verhängen oder den Gesamtschuldenstand stärker zu beachten. Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagte, Deutschlands Ideen seien interessant und gingen in die richtige Richtung.
Einige Forderungen der Bundesregierung gehen aber über den Plan der Kommission hinaus, etwa der Entzug des Stimmrechts im Finanzministerrat für mindestens ein Jahr für Länder, die wiederholt Schuldenlimits reißen. Während die Bundesregierung fordert, auch Änderungen des EU-Vertrages nicht zu scheuen, will sich die Kommission auf Anpassungen des bestehenden Rechts beschränken. Viele EU-Staaten scheuen nach dem jahrelangen Ringen um den EU-Vertrag von Lissabon die langwierige Prozedur einer erneuten Vertragsänderung.
Frankreich führt Schuldenbremse ein
Am Rande kam auch das in der EU umstrittene deutsche Verbot von Börsenwetten auf fallende Kurse von Aktien und Staatsanleihen ("ungedeckte Leerverkäufe") zur Sprache. Der luxemburgische Ressortchef Luc Frieden sagte zu dem deutschen Vorstoß: "Ich kann das nachvollziehen. Aber ich denke, dass eine europäische Politik bei internationalen Finanzgeschäften weitaus effizienter ist als nationale Alleingänge."
Am Donnerstag hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine Verfassungsänderung angekündigt, um "die Verwaltung der öffentlichen Finanzen" grundlegend zu ändern. Schäuble sagte dazu, Deutschland fühle sich durch die Bemühungen Sarkozys um eine Art Schuldenbremse "geehrt". Deutschland mache mit der beschlossenen Schuldenbremse gute Erfahrungen. In Deutschland greift ab kommendem Jahr eine Schuldenbremse, wonach das Defizit bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgefahren werden muss.
Quelle: ntv.de, hvo/rts