Erinnerungsort für Gefallene Ein Antriebskranz zum Gedenken
15.11.2014, 09:57 UhrDie Bundeswehr hat kein Standardkonzept dafür, wie man im Auslandseinsatz gefallenen Soldaten gedenken kann. Die Soldaten haben aber viele Ideen - und bringen sie nun mit nach Deutschland. Daraus entsteht ein spannender Ort.
Der Stabsgefreite Konstantin Menz ist gerade dabei, einen Schützenpanzer "Marder" zu warten, als ein Soldat der afghanischen Armee das Feuer eröffnet. Der Afghane trifft neun deutsche Soldaten, einer stirbt sofort, zwei erliegen wenig später ihren Verletzungen. Darunter ist auch Konstantin Menz. Er hatte noch zwei Wochen im OP North vor sich, dem Bundeswehrposten im Norden Afghanistans.

Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizère besuchte im März 2013 den Ehrenhain im OP North, der nun verlegt wurde.
(Foto: picture alliance / dpa)
In ihrer Trauer ätzen die Soldaten die Namen der Gefallenen in grüne Stahlplatten und verzieren sie mit den Antriebskränzen des Panzers, an dem Menz und seine Kameraden gearbeitet hatten. Andere Gefallene im OP North bekommen ein Holzkreuz, nach und nach entsteht eine kleine Gedenkstätte, ein "Ehrenhain". Auch Tanja Menz, Konstantins Mutter, versucht an diesem Ort, ihre Trauer zu verarbeiten. Eigens flog sie dafür nach Afghanistan. Es rührt sie, dass die Soldaten ihrem Sohn ein Denkmal gesetzt haben.
An diesem Samstag besucht sie die Stätte ein weiteres Mal, nun mit der ganzen Familie. Zwar hat die Bundeswehr den OP North vor über einem Jahr verlassen, doch die improvisierte Gedenkstätte hat sie mitgenommen. Sie steht jetzt in einer Kaserne in der Nähe von Potsdam zwischen ähnlichen Stätten aus anderen Afghanistan-Stützpunkten und aus Bosnien. Sie sind ein Teil des "Waldes der Erinnerung". Zwar gibt es schon ein zentrales Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin, doch die in den Einsatzländern gestalteten Denkmäler machen diesen neuen Ort zu etwas Besonderem.
Weitere Ehrenmale werden kommen
Die Hinterbliebenen der Gefallenen hatten sich schon länger für eine persönlichere Gedenkstätte eingesetzt. Der Abzug aus Afghanistan stellte die Bundeswehr dann vor die Frage, was mit den dortigen Ehrenmalen passieren sollte. Sie befinden sich nun auf einem Hügel in einem Wäldchen, das zur Henning-von-Tresckow-Kaserne gehört. Ein Weg aus grauem Granit führt an ebenso grauen Stelen vorbei, in die die Namen der Gefallenen eingelassen sind. Dann geht es weiter zu einer Art Kapelle und zu den einzelnen Denkmälern, die ganz unterschiedlich aussehen. Die Messingplatten aus Kunduz sind ganz schlicht, in Kabul stand ein wuchtiger Marmorblock, in Faizabad haben die Soldaten "Vigilia pretium libertatis" auf einen Stein geschrieben – "Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit". Auch in Mazar-i-Sharif und im Kosovo gibt es Ehrenmale für Gefallene. Sobald die Einsätze dort beendet sind, sollen auch diese Denkmäler in die neue Gedenkstätte kommen. Die Plätze dafür sind schon vorgesehen.
Es ist nicht klar definiert, wem dieser Ort eigentlich gewidmet ist. In erster Linie geht es um die 104 deutschen Soldaten und zivile Bundeswehrangehörige, die bei Auslandseinsätzen gestorben sind. Aber auch die rund 3200 in Deutschland gestorbenen Soldaten und Mitarbeiter sollen einen Ort haben. Ihre Hinterbliebenen können sich darum einen der vielen Bäume auf dem Hügel aussuchen, und ihn mit einer Plakette dem Gestorbenen widmen. Der Kreis derer, denen gedacht wird, geht noch weiter: Denn in den ausländischen Bundeswehrstützpunkten widmeten die deutschen Soldaten ihre Ehrenmale teilweise auch gefallenen Kameraden aus anderen Ländern. Darum finden sich auch die Namen von Dänen, Tschechen und anderen auf den Tafeln. Diese Stätte ist eben kein durchgeplantes Projekt, sondern nimmt die Gedenkkultur auf, die Soldaten an den Einsatzorten geschaffen haben.
Kritiker bemängeln Standort
Es gibt auch Kritik: Die Gesellschaft sei nicht an der Planung beteiligt gewesen, heißt es. Tatsächlich hatte der Bundestag mit der Sache nichts zu tun. Der Verteidigungsausschuss habe lediglich klar gemacht, dass die Bundeswehr in ihrer Entscheidung frei sei, was sie mit den Gedenkorten anstellt. Allerdings waren die Hinterbliebenen an der Planung beteiligt, wurden immer informiert und in Entscheidungen einbezogen, sagt Oberstleutnant Arnold Winkens, der an der Planung beteiligt war. Von dem ausgewählten Gelände seien sie "hin und weg" gewesen. In der engeren Auswahl waren auch Orte mitten in Berlin. Nun muss man recht weit fahren und dann am Eingang der Kaserne einen Ausweis abgeben. Auch daran gibt es Kritik. Doch so sei es genau richtig, findet zumindest Tanja Menz, deren Sohn in Afghanistan starb. Der Ort sei gut geschützt, und Touristenhorden würden ohnehin nur die Stille stören.
Am Tag vor der Einweihung führt Oberstleutnant Bernd Richter, der das Projekt geleitet hat, durch die Anlage. Er wirkt etwas steif mit seiner grauen Uniform und seinem Bundeswehrjargon. Auch Richter hat schon Kameraden im Einsatz verloren, doch allzu viel davon erzählen möchte er nicht. Er hat hier einen Ort geschaffen, an dem die Gedenkkulturen der Auslandseinsätze fortbestehen. Ohne die von Soldaten selbst gestalteten Ehrenmale hätte das die Bundeswehr sicher nicht geschafft. Doch so könnten "Familienmitglieder und Soldaten hier ihre Trauerarbeit durchführen", sagt Richter.
Quelle: ntv.de