Sondierungstheater wird absurder Eine Nacht, ein Schrei, eine Finte
15.10.2013, 13:04 Uhr
Das Sondierungsteam der SPD will sich nicht zu billig verkaufen, aber auch die Union will sich nicht zu früh bewegen.
(Foto: dpa)
Nach dem zweiten schwarz-roten Sondierungsgespräch wird mehr über Zankerei als über Zusammenarbeit gesprochen. Doch das ist Teil der Inszenierung. Der Plan von einer Großen Koalition ist noch lange nicht beerdigt.
"Schwierig" seien die Gespräche gewesen, lang waren sie auf jeden Fall, wohl auch laut. Alexander Dobrindt provoziert Hannelore Kraft: Sie solle erst einmal den Haushalt in Nordrhein-Westfalen in Ordnung bringen. Kraft herrscht zurück: So führe man keine Verhandlungen.
Ist das wirklich der Start in eine Koalition, die das Land vier Jahre lang führen soll? Kann Angela Merkel unter diesen Spannungen die stabile Regierung aufbauen, die sie unbedingt möchte? Die Antwort darauf ist simpel: Natürlich kann sie das!
Der kontrollierte Wutausbruch gehört zum taktischen Repertoire, das ein Politiker beherrschen muss, wenn er es an die Spitze bringen will. Von außen wirkt der Ton harsch, scheinen Positionen unversöhnlich, sind persönliche Differenzen zu groß. Doch in die erste Reihe der Politik schafft man es nur, wenn man auch mit Gegnern zusammenarbeiten kann, die man zuvor bekämpft hat.
Gemeinsame Sache mit dem Gegner
Schon innerhalb von Parteien treten Personen als Team an, die sich persönlich nicht ausstehen können und unvereinbare Ziele verfolgen. Müssen sich Parteien zu einer Koalition zusammentun, ist das in Wirklichkeit nie eine "Liebeshochzeit", wie es oft heißt. Auch Union und FDP belauerten sich vier Jahre lang – jeder darauf bedacht, möglichst viel für sich herauszuholen. Dass die Konflikte zwischen CDU und CSU derzeit nicht öffentlich ausgetragen werden, liegt nur daran, dass sie vom guten Wahlergebnis verdeckt werden und es erst einmal gemeinsame Gegner zu bekämpfen gibt.
Und diese Gegner heißen derzeit eben SPD und Grüne. Es geht darum, aus den Sondierungen so viel wie möglich an Gesetzen und Ministerposten herauszuholen. Und es geht darum, sich am Ende der Koalitionsverhandlungen als Sieger darstellen zu können.
Weiterhin gilt, dass die Schnittmengen zwischen CDU/CSU und SPD am größten sind. Mit den Grünen hätte die Union einen weniger berechenbaren Partner, dessen Wünsche – etwa beim Klimaschutz – wohl auch teurer wären. Die Grünen, deren Aufstieg mit der Wahl einen Dämpfer bekommen hat, würde man durch eine Koalition unnötig hoffähig machen und ihnen den Weg in die bürgerliche Mitte freiräumen. Die Grünen dienen der Union vor allem als Mittel, die SPD in die Enge zu treiben.
Interne Äußerungen für die Öffentlichkeit
CDU und CSU spielen das Sondierungsspiel bisher deutlich besser. Sie sind gestärkt durch das Wahlergebnis und mussten an der Besetzung ihrer ersten Reihe nichts ändern. Schon dass sie nun parallel mit beiden möglichen Koalitionspartnern sondieren, ist eine Niederlage für die SPD, die genau das immer abgelehnt hatte. Die Union spielt Grüne und Sozialdemokraten genüsslich gegeneinander aus. Dass die Wahlverlierer behaupten, eine eigene Regierungsbeteiligung skeptisch zu sehen, ist dagegen eine stumpfe Waffe.
Gleiches gilt für die neuesten Äußerungen des SPD-Chefs Sigmar Gabriel in einer Telefonkonferenz mit seinem Parteivorstand. Gabriel legte sich laut Parteikreisen nicht fest, ob Koalitionsverhandlungen nun wahrscheinlicher geworden sind. Inhaltlich gebe es kaum Annäherungen. Diese Einschätzung gab er zwar nicht öffentlich ab, doch bei 26 Vorstandsmitgliedern kann er sich sicher sein, dass alles Relevante nach außen dringt.
Auch dass der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer wieder deutlicher die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition betont, ist selbst verständlich Teil des Spiels. Es wirkt fast ironisch, wenn er dieser Aussage den Satz voranstellt: "Das ist keine Taktiererei."
Quelle: ntv.de