"Kein Patent auf Leben" Einspruch beim Patentamt
15.04.2009, 15:55 UhrBauern- und Umweltverbände laufen Sturm gegen das "Schweinepatent", das das Europäische Patentamt (EPA) in München einer US-Firma erteilt hat. Das Patent schützt ein Verfahren, mit dem Schweine auf eine Genvariante hin untersucht werden können. Gegner fürchten nun, die Firma könne Ansprüche auf alle Schweine erheben, die das Gen von Natur aus in sich tragen.
Als erstes Bundesland legte Hessen Einspruch gegen das Patent ein. "Natürliche Zuchtverfahren und Tiere sind nicht patentierbar", erklärte Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger (CDU) in Wiesbaden. Die Unterscheidung, ob ein Schwein auf natürlichem Wege oder mit diesem patentrechtlich geschützten Verfahren gezüchtet wurde, sei nicht möglich. Die Einspruchsfrist beim Europäischen Patentamt endete am Mittwoch. Auch Bayern will der hessischen Initiative anschließen. Umweltminister Markus Söder (CSU) kündigte an, dass sich Bayern sogar ein noch schärferes Vorgehen als Hessen im Bundesrat vorstellen könne. "Das Recht auf Leben steht der Schöpfung zu und nicht den Forschungsabteilungen einzelner Konzerne", sagte Söder bei einer Kundgebung zahlreicher Verbände und Organisationen gegen die Patentierung von Tieren, Pflanzen und Saatgut auf dem Münchener Marienplatz.
Patente auf das Leben
Dass mit solche Patenten Bauern schlichtweg enteignet werden könnten, befürchten Bauernvertreter. Sie fordern, die Bundesregierung müsse "der Gier der großen Konzerne auf Lebewesen endlich Grenzen setzen". Mehrere hundert Menschen waren nach Angaben der Veranstalter nun am Mittwoch dabei, als etwa 50 Verbände beim EPA in München einen Sammeleinspruch gegen das Patent einreichen. Das Motto der Demonstranten könnte griffiger kaum sein: "Stoppt das Patent für die arme Sau!"
Mehr Profit in kürzerer Zeit
Angemeldet wurde das umstrittene Patent beim EPA bereits im Juli 2004, im Sommer 2008 wurde es, in erheblich reduziertem Umfang, der US-Firma Newsham Choice Genetics erteilt. Geschützt wird ein Verfahren, mit dem Schweine auf eine bestimmte Genvariante hin untersucht werden. Die so ausgewählten Tiere sollen für die Zucht besonders geeignet sein, weil sie schneller wachsen und so mehr Fleisch produziert werden kann.
Newsham Choice Genetics hat damit nicht ein genmanipuliertes Schwein patentiert. Geschützt wird ein technisches Selektionsverfahren, nicht die Gensequenz an sich - denn diese kommt bei manchen Schweinen von Natur aus vor.
Die Gegner des Patents befürchten, das Unternehmen könne bald Ansprüche auf alle Schweine erheben, die das Gen in sich tragen. "Durch das europäische Patentrecht ist festgelegt, dass das Endprodukt von einem patentierten Züchtungsverfahren mit zu den Ansprüchen gehören", sagt Ruth Tippe von der Initiative "Kein Patent auf Leben!". Das würde dann auch für die Schweine oder ganze Schweineherden gelten.
Lizenzgebühren angestrebt
Dabei sei es unmöglich zu unterscheiden, welche der "Superschweine" aufgrund des patentierten Tests ausgesucht wurden und welche nicht, betont Christoph Then vom Netzwerk "Scouting Biotechnology". Die Züchter könnten dann nicht mehr nachweisen, dass ihre Zuchttiere nicht von den vom Patent geschützten Schweinen abstammen und müssten Newsham Choice Genetics möglicherweise Lizenzgebühren zahlen.
Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) hält das Patent für nicht zulässig. Denn damit würden herkömmliche Züchtungsmethoden wie Selektion und Kreuzung, lediglich mit technischen Elementen versehen, über die Hintertür geschützt. Biologische Verfahren dürften aber gar nicht patentiert werden. Der Bauernverband befürchtet, Züchter könnten in Zukunft nur noch weiterarbeiten, wenn sie Lizenzgebühren an große Zuchtkonzerne zahlten.
"Letztlich steht damit auch der Zugriff auf die Nahrungsmittelproduktion auf dem Spiel", sagt DBV-Präsident Gerd Sonnleitner. Vom Einspruch des Bauernverbandes und anderer Organisationen erhofft er sich eine Grundsatzentscheidung gegen das Patentieren von Tieren und Pflanzen.
Ähnliche Patente bereits erteilt
Das allerdings ist schon beinahe zur Normalität geworden. In den vergangenen zwei Jahren seien rund 40 ähnliche Patente angemeldet worden, sagt Ruth Tippe von "Kein Patent auf Leben!". 15 solcher Patente seien in den vergangen Jahren auch erteilt werden. Dabei gehe es nicht nur um Milchkühe und Schweine - auch Tomaten und Brokkoli seien etwa betroffen.
Quelle: ntv.de