Politik

Soldaten bereits verhört Ekel-Rituale Fall für Staatsanwalt

Hefe, rohe Leber, Rollmops: Zutaten für die "Mutproben".

Hefe, rohe Leber, Rollmops: Zutaten für die "Mutproben".

(Foto: dpa)

Im Skandal um abstoßende Aufnahmerituale und Quälereien unter Gebirgsjägern in Mittenwald kommen immer mehr Details ans Licht. Die Vorgänge sind letztendlich wohl auch strafrechtlich relevant. Die Staatsanwaltschaft wird umfassend informiert.

Die ekelerregenden Aufnahmerituale bei den Bundeswehr-Gebirgsjägern im oberbayerischen Mittenwald könnten zum Fall für den Staatsanwalt werden. "Wir werden eventuelle Straftaten zur Ermittlung an die Staatsanwaltschaft abgeben", sagte der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 233, Fred Siems. Zunächst werde aber nach dem Disziplinarrecht der Bundeswehr ermittelt. Die Gebirgsjäger gelten als Eliteeinheit der Bundeswehr.

Um in der internen Hierarchie nach oben zu kommen, mussten Rekruten bis zum Umfallen Alkohol trinken oder bis zum Erbrechen rohe Schweineleber essen. Die Staatsanwaltschaft in München prüft, ob ein Anfangsverdacht für Straftaten vorliegt. "Wir sind im Kontakt mit der Bundeswehr", sagte ein Sprecher.

Der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 233, Oberstleutnant Fred Siems.

Der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 233, Oberstleutnant Fred Siems.

(Foto: dpa)

Oberstleutnant Siems sagte: "Es wurde weitestgehend durch mindestens einen Soldaten bestätigt, dass viele von den Angaben wahr sind." Der Bundeswehrverband forderte Konsequenzen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der Anfang der 90er Jahre seinen Wehrdienst in Mittenwald leistete, hat nach eigenen Angaben von den Ritualen nichts mitbekommen. "Ich hatte von solchen Praktiken keine Kenntnis", sagte der CSU-Politiker der "Sächsischen Zeitung". Nach Informationen des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe soll es sie seit den 80er Jahren gegeben haben.

Gebirgsjäger aus Mittenwald gerieten bereits 2006 in die Schlagzeilen. Damals posierten sie in Afghanistan auf Fotos mit einem Totenschädel und Knochen toter Zivilisten.

Außerhalb der Kaserne

Die jetzt von einem Ex-Soldaten bekanntgemachten Fälle ereigneten sich im Juni 2009. Ermittelt wird nach den Worten von Siems seit dem 4. Februar. An dem Tag sei die Eingabe des im September 2009 bei der Bundeswehr ausgeschiedenen Wehrpflichtigen dem Wehrbeauftragten Robbe bekanntgeworden.

Von den derzeit 24 Soldaten des Hochgebirgsjägerzuges in Mittenwald sei etwa die Hälfte bereits vernommen worden, sagte der Kommandeur. Einzelne Vernehmungen dauerten bis zu vier Stunden. Die Ermittlungen zögen sich in die Länge, weil ein Teil der Soldaten derzeit einen Lehrgang in einer anderen Kaserne absolviert. Der Hochgebirgsjägerzug gehört der Stabs- und Versorgungskompanie des Bataillons an und ist damit eng an die Führung angebunden.

Robbe muss erneut einen internen Skandal ausleuchten.

Robbe muss erneut einen internen Skandal ausleuchten.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Siems versicherte, die Schikanen seien außerhalb der Dienstzeit nicht in der Kaserne, sondern "in freiem Gelände" und nicht in Uniform geschehen. Betroffen seien ausschließlich Mannschaftsdienstgrade, also einfache Soldaten bis zum Oberstabsgefreiten, nicht Unteroffiziere oder Offiziere. Vorgesetzte hätten nichts gewusst.

"Ich habe von Begriffen wie 'Fuxtest' zum ersten Mal am 4. Februar gehört", sagte Siems. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bestand dieser Test zum Aufstieg innerhalb der Hierarchie bei den Gebirgsjägern unter anderem darin, Rollmöpse mit Frischhefe zu essen. Die Folge sei heftiges Erbrechen. Bisher nicht bestätigt seien Berichte, wonach sich Soldaten vor Kletterübungen vor ihren Kameraden nackt hätten ausziehen müssen.

Aufklärung versprochen

Der "Hochzugkult" bei den Gebirgsjägern habe sich bereits Ende der 80er Jahren herausgebildet, bestätigte der Bataillonskommandeur. Das jetzt bekanntgewordene Ausmaß sei aber erst in den vergangenen Jahren erreicht worden, sagte Siems. "Wir nehmen die Sache sehr ernst." Er kündigte rückhaltlose Aufklärung an. Die Wehrdisziplinarordnung gelte auch für Vergehen außerhalb der Dienstzeit und der Kaserne.

Der Wehrbeauftragte Robbe sprach sich auf n-tv dafür aus, auch allgemeine Konsequenzen für die Ausbildung und Dienstaufsicht bei der Bundeswehr zu prüfen. Es müsse verhindert werden, dass sich solche Vorfälle wiederholen.

Das Verteidigungsministerium äußerte sich zurückhaltend zu solchen Forderungen. Allgemeine Konsequenzen könne es nur geben, wenn es auch allgemeine Verfehlungen gebe, sagte ein Ministeriumssprecher. "Dafür gibt es überhaupt keine Hinweise."

Quelle: ntv.de, dpa

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