Politik

"Haben falsche Gesundheitspolitik" Erste Kasse verkündet Zuschlag

Die DAK erhebt als erste Krankenkasse Zusatzbeiträge für ihre Kunden. Aber fast alle gesetzlich Versicherten müssen sich in diesem Jahr auf höhere Kosten einstellen. Patientenvertreter und Opposition beschuldigen bei n-tv die Bundesregierung, mit ihrer Politik die Kassen zu den Beiträgen zu zwingen: "Es wird nicht gespart."

Die Gesundheitskosten steigen - nun wollen sich die Kassen durch Zusatzbeiträge entlasten.

Die Gesundheitskosten steigen - nun wollen sich die Kassen durch Zusatzbeiträge entlasten.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Alle gesetzlich Krankenversicherten müssen sich in diesem Jahr nach Einschätzung des Kassen-Spitzenverbandes auf Zusatzbeiträge einstellen. Die Ankündigung einiger Kassen, monatlich acht Euro zusätzlich von den Versicherten zu erheben, werde nicht die einzige Ankündigung dieser Art bleiben, sagte die Chefin des des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Doris Pfeiffer, im Deutschlandfunk.

Mit der DAK hat die erste große gesetzliche Kasse Zusatzbeiträge angekündigt. "Ich werde meinem Verwaltungsrat empfehlen, ab Februar acht Euro zu nehmen", sagte der DAK-Vorsitzende Herbert Rebscher. Der Beitrag solle von den DAK-Mitgliedern pauschal erhoben werden.

Die Versicherung KKH-Allianz kündigte entsprechende Zusatzbeiträge für die erste Jahreshälfte an. Auch einige Betriebskrankenkassen wollen mitziehen. "Hier sind Leute, die das Tabu brechen", sagte Rebscher. Der Verwaltungsaufwand betrage bei allen Kassen zusammen rund eine Milliarde Euro für die Erhebung der Extra-Beiträge.

"Kein Managementfehler"

Verbandschefin Pfeiffer erwarte eine flächendeckende Erhebung der Zusatzzahlung durch Versicherte in diesem, spätestens aber im kommenden Jahr. "Wir haben bei den gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr ein Defizit von 7,8 Milliarden Euro." Das sei kein Managementfehler. Es werde aber zu viel Geld für nutzlose Dinge ausgegeben. Trotz eines Zuschusses aus der Staatskasse bleibt unter dem Strich wohl ein Minus von 4 Milliarden Euro übrig.

Gesundheitsminister Rösler muss sich Kritik an seinen Reformplänen gefallen lassen.

Gesundheitsminister Rösler muss sich Kritik an seinen Reformplänen gefallen lassen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Gesundheitsexperten sagen voraus, dass zur Jahresmitte jedes zweite der rund 51 Millionen Kassen-Mitglieder betroffen sein wird. Entsprechend äußerten sich Wolfgang Lange vom Brancheninformationsdienst dfg sowie der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski in der "Bild"-Zeitung. Das wären rund 25 von 51 Millionen zahlenden Kassenmitgliedern. Zusammen mit den beitragsfrei Mitversicherten gibt es insgesamt rund 70 Millionen Versicherte.

Sozialverbände protestieren

Die Verbandspräsidentin forderte für die Beitragszahler eine Befreiung vom vollen Mehrwertsteuersatz auf Medikamente. Würde die Mehrwertsteuer analog zur umstrittenen Absenkung der Steuer in der Hotelbranche gesenkt, brächte dies 2,4 Milliarden Euro, sagte Pfeiffer.

Wohlfahrtsverbände protestieren gegen die geplanten Zusatzbeiträge. Die Aufschläge seien unsozial, sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, der "Frankfurter Rundschau". "Damit verschieben sich die Lasten noch stärker einseitig auf die Arbeitnehmer und Rentner." Die Arbeitgeber würden dagegen verschont. "Vor allem für viele Rentnerinnen sind acht Euro ein Betrag, der weh tut", sagte Mascher.

Warnung vor Kassenwechsel

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten, Wolfram-Arnim Candidus, warnte Patienten allerdings davor, angesichts der Zusatzbeiträge kurzfristig die Kasse zu wechseln. "Man sollte abwarten, denn voraussichtlich werden alle Kassen Zusatzbeiträge erheben müssen", sagte Candidus.

Er kritisierte die Gesundheitspolitik der Regierung grundsätzlich und machte sie für die Erhöhung der Beiträge verantwortlich. "Wir haben eine falsche Gesundheitspolitik, die daher rührt, dass man eigentlich nur nach Einnahmen und Ausgaben reagiert", sagte Wolfram-Arnim Candidus, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten, bei n-tv. Der Gesundheitsfonds mit der geplanten Deckelung der Beiträge sei gescheiter. Die Strukturen im Gesundheitswesen müssten verändert werden. "Da traut sich aber die Politik nicht ran", sagte Candidus.

SPD plant Gegenkonzept

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, gibt der Politik von Schwarz-Gelb die Schuld an der Erhöhung. "Es wird nicht gespart – dann bleibt den Kassen nichts anderes übrig, als die Beiträge zu erhöhen", sagte Lauterbach bei n-tv. Die geplante Einführung der Kopfpauschale sei zudem noch unsozial. "Die Menschen können von ihren niedrigen Löhnen nicht immer mehr Netto für die Krankenversicherung aufbringen", kritisierte Lauterbach.

Er kündigte ein Alternativkonzept zur Gesundheitspolitik der Bundesregierung an: Die Arbeitgeber sollten anders als von Schwarz-Gelb geplant an der Finanzierung künftiger Mehrlasten beteiligt bleiben. Die Zusatzbeiträge sollten abgeschafft werden. Und alle Kassen sollten wieder ihren Beitragssatz selbst bestimmen.

CSU-Chef Horst Seehofer hat von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler wegen der Kritik ein Einschreiten gegen die Zusatzbeiträge gefordert. "Was mir da nicht gefällt, ist diese Flucht in Beitragserhöhungen", sagte Seehofer. Er bitte Rösler, sich um diese Frage zu kümmern, immerhin sei die schwarz-gelbe Bundesregierung nun bald hundert Tage im Amt. Seehofer sagte, eine Beitragserhöhung müsse immer das letzte Mittel sein, vorher müssten Anstrengungen auf der Ausgabenseite unternommen werden.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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