Klimaschutz braucht Erfolge Es geht auch ohne Merkel
05.12.2009, 12:38 UhrKopenhagen ist eine letzte große Chance im Kampf gegen den Klimawandel. Doch die Aussichten auf eine Einigung sind gesunken - die nationalen Wirtschaftsinteressen überwiegen. Die gute Nachricht ist: Wir brauchen Präsident Obama und Kanzlerin Merkel nicht, um das Klima zu retten.

Handeln tut not - überall und von jedem.
(Foto: dpa)
Barack Obama wird die Welt nicht retten. Er fährt zwar nicht mit leeren Händen zum Klimagipfel nach Kopenhagen. Aber viel hat er nicht zu bieten. Auch von Angela Merkel ist kaum Hilfe zu erwarten. Die Prioritäten der einstigen Klimakanzlerin sind klar, sie setzt jetzt "voll auf Wachstum". Das will sich auch Chinas Premier Wen Jiabao nicht vom Klimaschutz kaputtmachen lassen.
Aber sie alle wissen: "Im vor uns liegenden Jahrzehnt entscheidet sich, ob wir eine Chance haben, die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels auf ein erträgliches Maß zu begrenzen - genau das meinen wir mit dem Zweigradziel -, oder ob wir das nicht schaffen. Es entscheidet sich, ob wir insgesamt eine Art des Wirtschaftens finden, die nicht mit den Grundlagen ihres eigenen Erfolgs Raubbau treibt, oder ob wir es eben doch tun. Es entscheidet sich, welche Zukunft unser Planet und damit wir, die wir diesen Planeten bewohnen, haben."
Starke Worte. Die Bundeskanzlerin sprach sie am 10. November im Deutschen Bundestag. Der Rest war weniger spannend, geschweige denn wegweisend. "Der Schutz unseres Klimas ist eine Menschheitsaufgabe", weiß Merkel noch. Aber sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt überlassen es dann doch lieber dem Rest der Menschheit, sich darum zu kümmern.
Jahrelanges Verhandeln
Seit mehr als zwanzig Jahren diskutiert die globale Politik über den Klimaschutz, vor zwölf Jahren wurde das Kyoto-Protokoll vereinbart, erst Anfang 2005 trat es in Kraft, 2012 läuft es schon wieder aus. Eigentlich wollte sich die Welt in Kopenhagen auf ein Nachfolge-Abkommen einigen. Mittlerweile ist klar, dass dies nicht geschehen wird. Vielleicht wird der Kyoto-Nachfolger 2010 unterschrieben. Dann beginnt aber erst die Phase der Ratifizierung. Beim Kyoto-Protokoll dauerte sie acht lange Jahre. Und in nationales Recht müssen die Vereinbarungen auch noch umgesetzt werden.
Was lange währt, wird endlich gut, heißt es. Für den Klimaschutz gilt das nur zum Teil. Ein Erfolg war es, dass mit dem Kyoto-Protokoll überhaupt ein internationales Klima-Abkommen gegen die USA durchgesetzt werden konnte. Wegweisend war auch das Konzept des Emissionshandels, das in Kyoto eingeführt wurde.
Der Ausstoß von Treibhausgasen nimmt nicht ab
Der Haken ist, dass das Abkommen zu lasch war: Heute ist Konsens, dass die Industrieländer bis 2050 den Ausstoß von Treibhausgasen um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren müssen. Das Kyoto-Protokoll forderte von ihnen lediglich eine Reduktion von 5,2 Prozent bis 2012.
Viele Länder haben ihre persönlichen Kyoto-Ziele erreicht. Doch weltweit nimmt der Ausstoß von Treibhausgasen nicht ab, sondern zu. Die weltweiten fossilen CO2-Emissionen waren 2008 rund 40 Prozent höher als 1990, heißt es in der "Kopenhagen-Diagnose", einer Handreichung von 26 internationalen Klima-Wissenschaftlern für die Politik, die in der dänischen Hauptstadt über die Zukunft der Welt entscheidet.
Viele tun es längst
Aus Kopenhagen werden wir erneut viele schöne Worte hören. Geschehen wird nichts, jedenfalls nicht genug. Es stimmt: Der Schutz des Klimas ist eine Menschheitsaufgabe, es ist die Aufgabe der Menschen, ihr Klima zu schützen. Und all den Merkels, Obamas und Wens zum Trotz: Viele tun es längst.
Etwa in Hohen Neuendorf, einer Gemeinde nördlich von Berlin. Dort wird in diesen Tagen eine Bürgersolaranlage in Betrieb genommen. Übers Jahr soll sie rund 27.000 Kilowattstunden Strom liefern. Global keine große Sache, aber es ist die erste Bürgersolaranlage im Landkreis Oberhavel. Und weitere werden folgen. An hunderten Schulen in Deutschland sparen Schüler mit einfachen Maßnahmen Energie; 25 Tonnen CO2-Reduktion kommen dabei im Schnitt pro Jahr heraus.
Oder in Ulm: Dort nimmt Daimler seit 2008 mit mittlerweile 200 Smarts die Zukunft der Mobilität vorweg. Seit kurzem läuft ein Pilotprojekt von "Car2Go" auch im texanischen Austin.
Die Beispiele zeigen: Die großen Akteure im Kampf gegen den Klimawandel sind nicht die Kanzlerinnen, Staatspräsidenten und Premierminister dieser Welt. Es sind die Städte und die Bürger. Dass Tübingen "blau" macht, hat sich mittlerweile auch im Norden herumgesprochen. Tübingens Bürgermeister macht es vor: Er fährt Elektrofahrrad statt Auto.
Die Politik zum Führen führen

Darum geht es: Unsere Erde ist bedroht, das Abschmelzen des Eises an den Polkappen etwa nimmt rapide zu.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ohne politische Führung kann Klimaschutz nicht funktionieren. Wir brauchen Politiker, die klar sagen, was alles nicht geht. Doch muss die Politik ganz offensichtlich erst zum Führen geführt werden. Daher brauchen wir eine Öffentlichkeit, die versteht, was sich ändern muss, und die das auch lebt.
Ein letztes Beispiel: Auf der politischen Ebene wäre die Einführung eines Tempolimits ein wirklich großer symbolischer Schritt. Aber niemand hindert bereits jetzt die Menschen daran, auf der Autobahn nur noch 120 zu fahren - oder besser: die Bahn zu nehmen.
Klar, wir brauchen neue Autos, neue Mobilitätskonzepte, erneuerbare Energien. Aber der Schlüssel zum Erfolg ist Verzicht. Das betrifft so gut wie alle Bereiche des Lebens: Fortbewegung, Ernährung, Wohnen. Wir müssen weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen, weniger heizen und weniger Strom verbrauchen. Und weniger jammern. Barack Obama wird die Welt nicht retten, leider. Es ist unsere Aufgabe.
Quelle: ntv.de