Politik

Regierungserklärung im Bundestag "Es wird schlimmer, bevor es besser wird"

Mit einer Rede zwischen düsterer Beschreibung der Krise und hoffnungsvollem Ausblick präsentiert Bundeskanzlerin Angela Merkel die Pläne der Koalition im Bundestag. "Freiheit in Verantwortung" sei das Leitbild der neuen Koalition, so Merkel. Mit diesem Leitbild "werden wir Deutschland zu neuer Stärke führen".

Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Westerwelle auf der Regierungsbank.

Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Westerwelle auf der Regierungsbank.

(Foto: dpa)

In ihrer ersten Regierungserklärung als Kanzlerin eines schwarz-gelben Bündnisses kündigte Merkel eine "schonungslose Analyse" der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise an. "Deutschland steht vor einer Bewährungsprobe, wie seit der Deutschen Einheit nicht mehr", sagte sie. Der Wachstumseinbruch falle fünfmal stärker aus als der größte Rückgang Anfang der 1970er Jahre. "Die volle Wucht der Auswirkungen der Krise wird uns im nächsten Jahr erreichen", auch in den öffentlichen Haushalten, so Merkel. "Die Probleme werden noch größer, bevor es wieder besser werden kann".

Allzu hohe Erwartungen will Merkel nicht wecken: "Wir können scheitern, oder wir können es schaffen. Beides ist möglich. Ich will, und wir wollen, dass wir es schaffen." Aber: "Wir haben bei allen Schwierigkeiten viel Anlass zur Zuversicht."

Die Kanzlerin betonte, es gehe um mehr als um die kurzfristige Krisenbewältigung in Deutschland. "Die Karten werden weltweit neu gemischt."

Wachstum als Ziel und Ausweg

Während die Abgeordneten dieser grundsätzlichen Analyse noch ruhig zuhörten, reagierte die Opposition vor allem in den steuer- und haushaltspolitischen Passagen mit Zwischenrufen - etwa als Merkel, ohne Zahlen und Details zu nennen, über die von Schwarz-Gelb angekündigte Steuerreform sprach. Einen strikten Sparkurs lehnte Merkel ab: Dies sei "offensichtlich in der Krise keine Lösung".

Stattdessen wolle die Koalition die Voraussetzungen für stärkeres Wachstum schaffen. "Und deshalb werden wir auch im Jahr 2011 noch einmal einen weiteren Wachstumsimpuls setzen, und zwar in Form von Einkommensteuersenkungen. "Ohne Wachstum gebe es keine Investitionen, keine Arbeitsplätze, kein Geld für die Bildung und "keine Hilfe für die Schwachen", so Merkel.

"Die Karten werden weltweit neu gemischt", sagte Merke.

"Die Karten werden weltweit neu gemischt", sagte Merke.

(Foto: dpa)

Merkel rief die Banken auf, ausreichend Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. "Insbesondere der Mittelstand darf nicht in eine Kreditklemme geraten." Anfang Dezember wolle die Bundesregierung mit allen Akteuren von Banken, Wirtschaft und Arbeitnehmerschaft "die weiteren Schritte vertrauensvoll besprechen".

GM soll Hauptlast tragen

Merkel bedauerte die Entscheidung von General Motors, Opel nicht zu verkaufen. Sie verteidigte den Magna-Plan der alten Bundesregierung. Ohne Staatshilfen gäbe es Opel nicht mehr, sagte sie. Von GM verlangte die Kanzlerin "schnell ein verlässliches Konzept". Bei der Opel-Sanierung seien Bund und Länder grundsätzlich bereit, Hilfen zu prüfen. GM müsse aber die Hauptlast tragen.

"Wachstum, das an morgen denkt"

Im umwelt- und klimapolitischen Teil ihrer Rede sagte Merkel, es gehe der Bundesregierung nicht um "Wachstum um des Wachstums Willen", sondern um "nachhaltiges Wachstum, Wachstum, das an morgen denkt". "Niemals dürfen wir es zulassen", so Merkel, "dass die Finanz- und Wirtschaftskrise eine billige Ausrede" werde.

Den Klimaschutz nannte Merkel eine "Menschheitsaufgabe". Sie kritisierte, dass globale Antworten "viel zu lange" auf sich warten ließen. Im kommenden Jahrzehnt entscheide sich, "ob wir es schaffen, die Auswirkungen des Klimawandels auf ein erträgliches Maß zu begrenzen" und eine Art des Wirtschaftens zu finden, "die nicht Raubbau an der Natur treibt".

Merkel warnte vor einem Scheitern der Weltklimakonferenz, die am 7. Dezember in Kopenhagen beginnt. Insbesondere mahnte sie mehr Anstrengungen von Ländern wie den USA, China und Indien an. Merkel kündigte an, "wenn es Erfolg hat" selbst nach Kopenhagen zu fahren, "damit auch hier jeder Zweifel beseitigt ist". Ähnlich unklar hatte zuvor US-Präsident Barack Obama sein Erscheinen in Kopenhagen angekündigt.

"Leistung muss sich wieder lohnen"

Zuvor hatte Merkel angekündigt, die neue Regierung wolle das Verhältnis der Bürger "zu ihrem Staat" verbessern, indem sie Arbeitsplätze schaffe, durch Bildung Aufstieg ermögliche und Bürokratie abbaue. "Leistung muss sich wieder lohnen", sagte die Bundeskanzlerin unter dem starken Beifall der Abgeordneten von FDP und Union.

"Vernebeln als Strategie, das hat Methode in dieser Koalition", so Steinmeier.

"Vernebeln als Strategie, das hat Methode in dieser Koalition", so Steinmeier.

(Foto: AP)

Nach Merkel sprach SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, für ihn war es die Premiere als Oppositionsführer im Bundestag. "Katastrophaler hätte der Fehlstart nicht sein können - durchgefallen, und das knapp zwei Wochen nach dem Start", attackierte er die Kanzlerin. "In diesem Koalitionsvertrag ist soziale Spaltung angelegt."

"Dieses Land wird gespalten"

"In dem Koalitionsvertrag sind die Weichen für eine andere Republik gestellt", sagte Steinmeier. Er hielt Merkel vor, die Bürger bewusst über kommende Belastungen im Unklaren zu lassen. Auch nach der Regierungserklärung sei man kein Stück schlauer. "Vernebeln als Strategie, das hat Methode in dieser Koalition."

"Dieses Land wird gespalten", sagte Steinmeier mit Hinweis auf das schwarz-gelbe Koalitionsabkommen. Dort würden keine Mauern eingerissen, sondern neue hochgezogen: Dies werde besonders deutlich bei den Gesundheits-Plänen von Union und FDP. Die Lasten sollten einseitig auf die Versicherten abgewälzt werden. Auch bei der Familienpolitik und der Atomenergie werde der "Salto rückwärts" vorbereitet. Als "ökonomische Geisterfahrerei" bezeichnete er die geplanten "Steuersenkungen auf Pump" bei zusätzlichen Schulden in Rekordhöhe.

Steinmeier erinnerte daran, dass FDP-Chef Guido Westerwelle als Oppositionsführer immer wieder erklärt habe, die Schulden von heute seien die Steuererhöhungen von morgen. "Und jetzt sind Sie der Schuldenmacher der Nation", rief er seinem Nachfolger als Außenminister zu.

"Nächste Blase wird vorbereitet"

Linksparteichef Oskar Lafontaine sagte, die Regierung sei"unfähig, die Kernaufgaben unserer Zeit überhaupt anzugehen". Nach wie vor bestimme die Finanzindustrie die Politik. "Die Banken machen weiter wie bisher, und, das ist ein großer Skandal, die nächste Blase wird vorbereitet", sagte Lafontaine. Nicht zuerst die Folgen der internationalen Krise müssten angegangen werden, sondern ihre Ursachen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hielt Merkel vor, für sie sei der Amtsantritt von Schwarz-Gelb "kein Anfang, sondern ein zweiter Aufguss". "Dafür, dass Sie hier nur als Revival-Band angetreten sind, war dieser Start recht holprig." Steuersenkungen hätten "noch nie zu Wachstum geführt, außer auf den Konten der Besserverdienenden". Die Politik von Schwarz-Gelb treffe das "bürgerliche Lager" der Arbeitnehmer und Geringverdiener. Profitieren würde lediglich die "Bourgeoisie".

Quelle: ntv.de, mit dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen