Politik

Karadzic-Festnahme "Europäische Berufung Serbiens"

International ist die Festnahme des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic begrüßt worden. "Dies ist ein historischer Augenblick", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Die Opfer dürfen wissen: Massive Menschenrechtsverletzungen bleiben nicht ungestraft." Dem serbischen Präsidenten Boris Tadic bescheinigte Merkel, mit "diesem mutigen Schritt die europäische Berufung Serbiens unterstrichen" zu haben. Die Europäische Union hatte die Kooperation Serbiens mit dem UN-Tribunal in Den Haag zur Voraussetzung für Beitrittsverhandlungen gemacht.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "Meilenstein in der Geschichte der Beziehungen zwischen Serbien und der Europäischen Union". Er sei "wirklich froh", sagte der SPD-Politiker. "Ich kann für die ganze Bundesregierung sagen, dass wir erleichtert sind, dass endlich nach vielen Jahren die Verhaftung von Radovan Karadzic aus Serbien gemeldet werden konnte."

Chance zur Aufarbeitung

Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin begrüßte die Festnahme eines "der größten Verbrecher". Jetzt bestehe die Chance, die Verbrechen in Bosnien endlich aufzuarbeiten. "Es ist eine zweite Chance, es ist eine Chance für ein neues Serbien, mit dieser Geschichte zu brechen, sich der Zukunft und das heißt auch Europa zuzuwenden", sagte Trittin bei n-tv. "Ich glaube, wir sollten die serbische Regierung dafür loben und wir sollten mit der Mehrheit der Serben gemeinsam dafür streiten, dass dieses neue demokratische Serbien zu Europa gehört."

"Serbien meint es ernst"

Auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn erwartet nun eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und der EU. "Dies zeigt, dass Serbien es ernst meint und mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeiten kann", sagte Rehn. "Meiner Ansicht nach sollte dies Auswirkung auf die Beziehungen zwischen der EU und Serbien haben." Er wollte die Frage, ob das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zwischen Serbien und der EU nun in Kraft treten könne, nicht genauer beantworten: "Wir müssen jetzt die nächsten Schritte in der europäischen Ausrichtung Serbiens besprechen."

Die Außenminister der 27 EU-Staaten bekräftigten, Serbien könne seinen Fortschritt zum EU-Beitrittskandidaten beschleunigen, wenn es alle Voraussetzungen erfülle. Die EU erhoffe sich auch, dass Serbien eine "konstruktive Haltung zu Bemühungen der EU um den Frieden und die Stabilität der Balkanregion entwickelt". Der Konflikt um das Kosovo, das von einer Mehrheit der EU-Staaten als unabhängig anerkannt und unterstützt, von Serbien aber nach wie vor als Teil des eigenen Staates betrachtet wird, wird bei dieser Formulierung nicht namentlich erwähnt. Die EU baut derzeit eine knapp 2000 Personen starke Rechtsstaatsmission (EULEX) im Kosovo auf, die von Serbien abgelehnt wird.

Geteiltes Echo in Russland

Das russische Außenministerium erklärte, die serbische Führung solle "selber über Karadzics Schicksal entscheiden, auch über seine Auslieferung an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag". Dagegen kritisierte der stellvertretende Duma-Vorsitzende, der Ultranationalist Wladimir Schirinowski, das Vorgehen der serbischen Behörden gegen "Patrioten". "Karadzic ist ein Symbol des Befreiungskampfes der Serben in den letzten 20 Jahren", sagte Schirinowski.

"Die Serben hatten während des Bürgerkrieges in Bosnien ihre Heimat verteidigt, aber (der Westen) hat sie um die Hälfte des Landes gebracht. Wenn Russland keine Atomwaffen hätte, hätte man mit uns das Gleiche gemacht", sagte der Chef der rechtspopulistischen Liberaldemokratischen Partei Russlands (LDPR). Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin sprach sich in Brüssel dafür aus, dass neben Karadzic auch die Initiatoren der Aggression gegen Ex-Jugoslawien von 1999 zur Verantwortung gezogen werden.

In Russland haben die Witwe und der Sohn des früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, politisches Asyl erhalten.

"Wir wollen Mitglied der EU sein"

Serbiens Außenminister Vuk Jeremic bezeichnete die Verhaftung des früheren bosnischen Serbenführers als Teil einer "sehr ehrgeizigen europäischen Tagesordnung" der serbischen Regierung. "Es ist uns mit unserer Zukunft in der EU sehr ernst", sagte er am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel, an dem auch Steinmeier und Rehn teilnahmen. "Wir haben das gestern demonstriert: Wir wollen Mitglied der EU sein. Wir wollen ein regionaler Akteur sein und zur regionalen Stabilität beitragen." Jeremic sagte, die neuer serbische Regierung sei "der Stärkung des internationalen Rechts sehr verpflichtet": "Sowohl was unsere Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Den Haag angeht als auch was die Verteidigung unserer Souveränität über das Kosovo betrifft."

"Genugtuung für die Familien der Opfer"

"Das ist wenigstens eine Genugtuung für die Familien der Opfer", begrüßte der muslimische Vertreter im bosnischen Staatspräsidium, Haris Silajdzic, die Verhaftung. "Diese Reinigung ist notwendig, damit die Menschen wissen, dass es Gerechtigkeit gibt", sagte er der Belgrader Agentur Beta. "Dies ist ein großer Tag für Bosnien und eine großer Tag für die Gerechtigkeit", erklärte das kroatische Präsidiumsmitglied Zeljko Komsic.

Dagegen haben die oppositionellen serbischen Nationalisten die Ergreifung von Karadzic kritisiert. "Damit verschwinden die Menschen, die ein Symbol des Patriotismus sind", sagte der Generalsekretär der Radikalen (SRS), Aleksandar Vucic, in Belgrad. Die neue pro-europäische Regierung habe mit der Verhaftung der EU einen Dienst erwiesen, nachdem die Regierungsparteien in der Vergangenheit von Brüssel unterstützt worden waren.

US-Administration gratuliert

Die US-Regierung gratulierte Serbien zur Verhaftung. Die Festnahme sei "eine wichtige Demonstration der Entschlossenheit der serbischen Regierung, ihrem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit dem UN- Kriegsverbrechertribunal nachzukommen", teilte das Weiße Haus mit. Es gebe keinen besseren Weg, den Opfern der Kriegsverbrechen Tribut zu zollen, als die Täter der Justiz zu überstellen. Die Verantwortlichen für die Festnahme Karadzics hätten "Professionalität und Mut" bewiesen, hieß es weiter.

Quelle: ntv.de

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