Zahlreiche Spionageangriffe Ex-BND-Chef fordert mehr Kompetenzen für Geheimdienste
02.05.2024, 07:42 Uhr Artikel anhören
Die BND-Zentrale in Berlin
(Foto: REUTERS)
Die jüngsten Skandale zeigen: Deutschland ist eine Spielwiese für Spione aller Art. Der ehemalige Chef des BND spricht sich daher für mehr Möglichkeiten für die Geheimdienste aus. Besonders ein Punkt ist ihm wichtig.
Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat angesichts der zunehmenden Spionageangriffe aus Russland und China weniger Fesseln für die deutschen Nachrichtendienste gefordert. "Ich sehe immer die Möglichkeit, besser zu werden", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Und wenn die Erfolge unserer Sicherheitsbehörden jetzt Anlass sind, darüber nachzudenken, wie sie noch besser werden können, dann finde ich das gut."
Schindler, der den BND von 2011 bis 2016 leitete, fügte hinzu: "Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Kommunikation zu knacken. Das betrifft die Kommunikationsüberwachung. Damit tun wir uns in Deutschland schwer." Als Beispiel nannte er die Vorratsdatenspeicherung, über die Deutschland schon seit Ewigkeiten diskutiere. Hinzu käme, dass der Bundesnachrichtendienst bei der Aufklärung grundsätzlich keine deutschen Telefonnummern oder E-Mail-Adressen erfassen dürfe. "Das ist ein großes Handicap. Ein ausländischer Agent braucht nur ein deutsches Handy zu nehmen, und schon ist der BND draußen."
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter bräuchten zudem die Möglichkeit zur strategischen Kommunikationsaufklärung im Inland. Kommunikation könne auch über persönliche Treffen, also über Reisen, erfolgen. "Reisewege sind daher bei der Aufklärung ebenfalls ein wichtiger Ansatzpunkt. Hier könnte das Erkennen von Mustern helfen, sprich: zu wissen, wer wann immer wieder an welche Orte fliegt. Solche Rasteranalysen sind nach unserem Datenschutzrecht nahezu unmöglich."
Der Ex-BND-Chef begrüßte ferner den Plan, dem Bundesamt für Verfassungsschutz Finanzermittlungen zu erleichtern. "Wenn man bestimmte Finanzströme inklusive Geber und Nehmer nachweisen kann, dann hilft das", sagte er.
"Man darf aber bei den Voraussetzungen nicht überziehen. Es geht für einen Nachrichtendienst wie den Verfassungsschutz darum, bereits im Vorfeld polizeilicher Ermittlungen zu Erkenntnissen zu gelangen. Das bedeutet: Er muss auch schon mal mit Vermutungen arbeiten dürfen und kann nicht sofort mit gerichtsverwertbaren Ergebnissen antanzen. Wenn Nachrichtendienste nach Polizeirecht arbeiten müssen, dann können sie nicht vernünftig agieren."
Schindler: AfD "relevantes Ziel" für Spione
Schließlich sprach sich Schindler für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und im Fall von Cyberangriffen für die Möglichkeit von Hackbacks aus. "Hackbacks sind ein Mittel, um Cyberangriffe abzuwehren", sagte er. Zuletzt waren russische Spionageversuche sowohl aus Russland als auch aus China enttarnt worden.
Dabei sieht Schindler in der AfD ein lohnendes Ziel für Spionageaktivitäten. "Die AfD ist, wenn man von außen auf Deutschland guckt, ganz sicher ein relevantes Ziel", sagte er in dem Interview. "Das hat mit der gedanklichen Nähe etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu tun. Sie erleichtert die Anwerbung von Personen. Hinzu kommt, dass es in der AfD nicht wenige Leute mit flexiblen Lebensläufen gibt. Das lockt gegnerische Dienste an. Jemand, der unstet ist, ist einfacher zu werben als einer, der stets auf derselben Linie fährt. Und schließlich hat die AfD das Potenzial, im politischen Alltag Themen zu setzen. Das kann ein gegnerischer Dienst nutzen." Ein solcher Dienst habe damit einen Anker in Deutschland, betonte Schindler. "Solche Organisationen sind ein lohnendes Ziel für Russland und China."
Quelle: ntv.de, ghö