"Falsche Idee" Ex-Mitarbeiterin von Paus stellt sich gegen Kindergrundsicherung
11.04.2024, 10:52 Uhr Artikel anhören
Ministerin Paus hält an der Kindergrundsicherung fest.
(Foto: Michael Kappeler/dpa)
Die Kindergrundsicherung ist ein wichtiges Projekt der Grünen, doch sie droht am Widerstand der FDP zu scheitern. Jetzt wendet sich sogar eine ehemalige Mitarbeiterin von Familienministerin Paus dagegen. Die Verwaltung werde so nicht vereinfacht.
Eine frühere Referatsleiterin aus dem Bundesfamilienministerium hat schwere Kritik an der geplanten Kindergrundsicherung geübt. "Die Kindergrundsicherung ist die falsche Idee. Ganz einfach, am besten automatisch, und zugleich zielgenau, eine solche Leistung kann es nicht geben", sagte Franziska Vollmer dem "Tagesspiegel". Die Juristin war von 1999 bis Anfang 2023 im Familienministerium tätig, das seit April 2022 von Grünen-Politikerin Lisa Paus geführt wird. Referatsleiter gehören nicht der höchsten Ebene an, über ihnen stehen noch Abteilungsleiter und Staatssekretäre.
"Mittlerweile denken viele Fachleute so, die einst für die Kindergrundsicherung waren", zitiert die Zeitung Vollmer. "Wer Familien mehr Geld geben will, kann das innerhalb des bestehenden Systems tun. Und wer die Verwaltung vereinfachen will, erreicht mit der Kindergrundsicherung trotz allerbester Absichten de facto leider das Gegenteil."
Die Kindergrundsicherung ist für die Grünen das wichtigste Sozialprojekt dieser Legislaturperiode. Sie soll Leistungen für Kinder vereinfachen und bündeln. Sie besteht aus einem Grundbetrag, der für alle Kinder gleich sein soll, und einem Zusatzbetrag, der sich am Einkommen der Eltern bemisst. Dabei sollen bisher getrennt berechnete Zahlungen zusammengefasst werden - also Kindergeld, Kinderzuschlag, Bürgergeld und Sozialhilfe für Kinder.
Staat soll Bringschuld bekommen
Das soll es Eltern erleichtern, die Leistungen zu bekommen, die ihnen zustehen. Ministerin Paus will dem Staat die Bringschuld geben. Breite Kritik löste aus, dass dafür 5000 neue Stellen und eine eigene Behörde geschaffen werden müssten. Mittlerweile heißt es von den Grünen, es könnten auch weniger Stellen sein.
Dass es eine neue Behörde geben würde, liefe auch dem Ziel zuwider, den bürokratischen Aufwand für Eltern zu verkleinern. Wenn Bürgergeldempfänger dann dorthin müssten, um die Kindergrundsicherung zu beantragen statt Bürgergeld für ihre Kinder, müssten sie schon zu zwei Ämtern statt zu einem. Wobei das Ministerium verspricht, dass man den Antrag digital stellen könne.
"Ich glaube, wir alle, die sich seit Langem gegen Kinderarmut engagieren, müssen uns ehrlich machen. Die Vorstellung von einer einfachen und zugleich ganz zielgenauen Leistung nur für Kinder lässt sich einfach nicht in die Praxis umsetzen", sagte Vollmer dem "Tagesspiegel". Die Juristin war der Zeitung zufolge federführend für die Kindergrundsicherung zuständig.
Seit einem Jahr Streit mit FDP
Beschlossene Sache ist die Kindergrundsicherung nicht. Derzeit diskutieren die Fraktionen im Bundestag über den Gesetzentwurf. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits mitgeteilt, dass der ursprüngliche Starttermin, der 1. Januar 2025, aus praktischen Gründen nicht zu halten sei.
Vor allem Grüne und FDP streiten seit einem Jahr über die Kindergrundsicherung. Die Liberalen sehen darin vor allem ein Digitalisierungsprojekt, das es Familien leichter machen soll, Leistungen abzurufen. Sie wollten aber die Zahlungen nicht erhöhen. FDP-Chef Christian Lindner sagte mehrfach, es gebe einen Zusammenhang zwischen Kinderarmut und Zuwanderung. Viele Kinder lebten in Armut, weil die ausländischen Eltern keinen Job hätten. Daher seien Qualifizierungen und Sprachkurse der bessere Weg, um Kinderarmut zu bekämpfen.
Quelle: ntv.de, vpe