Politik

ESM-Volksabstimmung in Deutschland Experten raten ab

Sind die Bürger tatsächlich überfordert?

Sind die Bürger tatsächlich überfordert?

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei der Einführung des Euro als Gemeinschaftswährung war darauf verzichtet worden, den Bürger direkt zu fragen. Das wird im Nachhinein oft als Fehler bewertet. Jetzt steht eine neue wichtige Entscheidung an: Die Einführung des dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Erneut raten Rechtsexperten "aus guten Gründen" von Volksabstimmungen zu Haushaltsfragen ab.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich gegen eine Volksabstimmung über den weiteren Kurs in der Euro-Schuldenkrise ausgesprochen. Ein Referendum etwa über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM wäre nicht sinnvoll, sagte Lammert der "Berliner Zeitung". Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, äußerte sich ebenfalls skeptisch. Dagegen gab der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu bedenken, dass ein Referendum "eine ganz andere Form der Legitimation" ermöglichen würde.

Lammert: Gegen Plebiszite zu Haushaltsfragen gibt es gute Gründe.

Lammert: Gegen Plebiszite zu Haushaltsfragen gibt es gute Gründe.

(Foto: dapd)

In einer Umfrage sprachen sich mehr als Zwei Drittel der Befragten dafür aus, die Bürger über wichtige Beschlüsse zu Europa und dem Euro direkt abstimmen zu lassen.      

Hintergrund der Debatte ist das gescheiterte Vorhaben des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou, die Bevölkerung über die Bedingungen eines zweiten Hilfspakets abstimmen zu lassen. Daraufhin waren auch in Deutschland Stimmen laut geworden, die Volksabstimmungen im Zusammenhang mit der Euro-Schuldenkrise forderten. So sprach sich unter anderem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt für Volksentscheide in grundlegenden Fragen aus. Dagegen warnte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, vor einem solchen Schritt.   

Lammert wies darauf hin, dass es auf Bundesebene bisher gar keine rechtlichen Voraussetzungen für ein solches Referendum gebe. Und dort, wo Volksabstimmungen auf kommunaler oder Landesebene möglich seien, seien "aus guten Gründen Entscheidungen über Steuer- oder Haushaltsfragen" ausgeschlossen. Daher sehe er gegenwärtig keinen Grund, der eine Volksabstimmung nötig oder vernünftig erscheinen lasse.         

"Bürger fühlen sich überfordert"

"Das Hauptproblem der Leute scheint mir nicht zu sein, dass sie sich von Entscheidungen ausgeschlossen fühlen, die sie selbst fällen mögen", sagte der CDU-Politiker. Vielmehr fühlten sich die meisten Bürger von solchen Fragen zwar betroffen, aber auch überfordert. Daher bleibe selbst bei so substanziellen Themen, die eine Grundgesetzänderung erforderten, die Notwendigkeit eines Referendums fraglich.

Voßkuhle: Mehr Plebiszite machen die Welt nicht demokratischer.

Voßkuhle: Mehr Plebiszite machen die Welt nicht demokratischer.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Die Vorstellung, mit mehr Plebisziten würde die Welt demokratischer, ist sicherlich falsch", sagte Voßkuhle dem Magazin "Focus". Gleichwohl könnten Volksabstimmungen im Einzelfall eine sinnvolle Ergänzung zum parlamentarischen Verfahren sein. Fragen der Außenpolitik, der Verteidigung oder des Finanzausgleichs halte er aber für weniger geeignet für eine Volksabstimmung.

Ähnlich wie Lammert zeigte sich auch Ex-Bundeskanzler Schröder überzeugt, dass für eine Verfassungsänderung in Deutschland zugunsten einer stärkeren Integration in Europa nicht zwangsläufig eine Volksabstimmung nötig wäre. "Dafür braucht man in Deutschland kein Referendum, sondern die Zusammenarbeit der Bundestagsfraktionen von Regierung und Opposition", sagte Schröder im Reuters-Interview. "Eine Volksabstimmung will ich aber nicht ausschließen, weil sie eine ganz andere Form der Legitimation brächte." Und die Frage, wie Europa künftig aussehen solle, wäre allemal ein wichtigeres Thema für eine Volksabstimmung als etwa die Frage, ob ein Bahnhof umgebaut werde oder nicht.

Eine Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" ergab, dass 71 Prozent für eine stärkere Mitsprache der Bürger bei wichtigen Beschlüsse zu Europa und dem Euro sind. Nur 27 Prozent lehnten das ab.

Quelle: ntv.de, rts

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