Neue Begehrlichkeiten Experten schätzen Steuern
02.11.2010, 08:49 UhrDie letzte Steuerschätzung stand unter dem Eindruck der Krise und erhöhte den Spardruck bei Bund, Ländern und Kommunen erheblich. Wegen der Erholung der Wirtschaft und erwarteter Steuermehreinnahmen wird jetzt aber ein dickes Plus erwartet und schon wieder über Steuersenkungen diskutiert.
Die neue Steuerschätzung dürfte die Einnahmeaussichten von Bund, Ländern und Gemeinden so stark aufhellen wie lange nicht mehr. Von über 62 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen als noch im Mai erwartet ist für die drei Jahre bis 2012 in der Vorlage des Bundesfinanzministeriums die Rede, auf deren Basis Steuerexperten von Bund, Ländern, Gemeinden, Bundesbank und Wirtschaftsinstituten in Baden-Baden ihre Beratungen aufnahmen.
"Aufgrund der guten Konjunkturlage sind gute Zahlen für die Steuereinnahmen zu erwarten", sagte Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele. Dennoch seien Steuersenkungen derzeit nicht machbar. Dagegen forderte sein Kollege Georg Fahrenschon aus Bayern, 2011 die Basis für Steuerentlastungen ab Anfang 2012 legen.
Das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung soll am Donnerstag vorliegen. Schon die Aussicht auf höhere Steuereinnahmen hat die Steuersenkungsdebatte neu entfacht.
Schätzvorlage spricht von 62,5 Milliarden Euro
Die Schätzvorlage des Bundes geht von Steuer-Mehreinnahmen für dieses und die kommenden beiden Jahre von 62,5 Milliarden Euro aus. Bund, Ländern und Gemeinden sowie der EU dürften demnach im laufenden Jahr etwa 17 Milliarden Euro mehr Steuern in die Kassen fließen. Für das kommende Jahr wird mit zusätzlich 22,5 Milliarden Euro gerechnet und 2012 mit 23 Milliarden Euro.
Das Gros der Mehreinnahmen geht auf die besseren Wachstumschancen der deutschen Wirtschaft zurück. Die Bundesregierung hatte kürzlich ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr so kräftig wie kaum einmal zuvor angehoben: auf 3,4 Prozent von zuvor 1,4 Prozent. Für das kommende Jahr rechnet die Regierung mit einem Plus von 1,8 Prozent bei der Wirtschaftsleistung nach zuvor 1,6 Prozent.
Merkel dämpft Erwartungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte trotz dieser günstigen Aussichten erklären lassen, sie sehe zumindest für dieses und das nächste Jahr keine Steuersenkungsspielräume. Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sich Entlastungsentscheidungen erst gegen Ende der Legislaturperiode vorstellen.
CSU und FDP allerdings drücken aufs Tempo. Bayerns Finanzminister Fahrenschon mahnte im ZDF für das kommende Jahr an, Entlastungen für Anfang 2012 vorzubereiten. Er erinnerte die Kanzlerin daran, dass die Union im Wahlkampf vergangenen Jahres Entlastungen von rund 15 Milliarden Euro versprochen habe, von denen schon rund acht Milliarden Euro umgesetzt seien. Nun gelte es, mit Steuervereinfachungen den nächsten Schritt vorzubereiten.
Wie Merkel blieb auch Baden-Württembergs Finanzminister Stächele abwartend. "Trotz guter Konjunktur sind Steuersenkungen derzeit nicht machbar", sagte er. Die gute Entwicklung sei großteils durch teure Konjunkturprogramme zulasten hoher Schulden erkauft. "Wer jetzt von Steuersenkungen redet, streut den Menschen Sand in die Augen", argumentierte er. Die Etatsanierung müsse erst einmal Vorrang haben. Mahnungen kamen auch von den Kommunen. "Selbst die guten Steuereinnahmen werden das zentrale Problem der Kommunen, nämlich die immer weiter steigenden Soziallasten, nicht lösen können", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg, dem "Hamburger Abendblatt". An den Mehreinnahmen hätten die Kommunen nur einen kleinen Anteil.
Quelle: ntv.de, rts