Politik

Koalitionspartner nötig Fiasko für die CSU

Ein politisches Erdbeben hat die Ära der CSU-Alleinherrschaft in Bayern beendet. Nach mehr als 40 Jahren müssen die Christsozialen angesichts verheerender Stimmenverluste künftig die Macht im Freistaat teilen. Zweistellige Einbußen bei der Landtagswahl stürzen die erst vor einem Jahr angetretene CSU-Spitze aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein in eine schwere Krise.

Die CSU sackte auf rund 43 Prozent ab. Sie verpasste klar die Mehrheit der Mandate und braucht erstmals seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. Seit 1970 hatte die CSU als eine der erfolgreichsten Parteien Europas immer über 50 Prozent gelegen - dies hatte ihren Mythos begründet. Für den Politikwissenschaftler Florian Hartleb steht fest: "Die Partei wird ihre Führungsspitze komplett auswechseln."

Beckstein klammert

Beckstein (64) betonte trotz des Fiaskos für die CSU seinen Führungsanspruch: "Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung." Er werde vor allem mit der FDP, aber auch mit SPD und Freien Wählern reden. "Das ist für uns eine schwierige, schmerzliche und völlig neue Erfahrung." Als klarer Favorit der CSU gelten die Liberalen. FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil bot der CSU unmittelbar nach der Wahl Gespräche an. Die Partei habe Vertrauen in die Gestaltungskraft Becksteins, sagte Huber (62).

Die Stunde der Strippenszieher

Der Politikwissenschaftler Florian Hartleb, Kenner der bayerischen Politszene, sagte im Gespräch mit n-tv.de voraus, dass sich die CSU jetzt neu formieren werde. "Dabei wird Stoiber im Hintergrund maßgeblich die Zügel ziehen, seine Aura ist in der Partei gefragt wie nie." Zwar versuche die CSU im Moment den Parteivorsitzenden auszutauschen und den Ministerpräsident zu halten. Dieser Weg sei aber mehr als fragwürdig, weil die Landtagswahlen in Bayern sehr stark Landesvaterwahlen sind. "Deshalb ist Beckstein nicht zu halten. Zumal er vor der Wahl eine Koalition ausgeschlossen und ein Ergebnis von "50 plus x" als seinen Legitimationsmaßstab genannt hat. " Als Produkt des Duos Huber und Beckstein werde nach Hartlebs Ansicht auch Generalsekretärin Christine Haderthauer ihr Amt verlieren. Sie habe maßgeblich für den Wahlkampf und die Strategie der CSU gezeichnet.

Zweckbündnisse schon geschlossen

"Das Triumvirat Stoiber, Markus Söder und Horst Seehofer ist jetzt am Zug", so Hartleb im Gespräch mit n-tv.de. Söder und Seehofer hätten für diesen "Tag X", an dem die absolute Mehrheit der CSU fällt, bereits ein Zweckbündnis geschlossen. Zudem werde auch Landesgruppe Peter Ramsauer eine wichtige Rolle spielen, um den bundespolitischen Anspruch der Partei zu wahren. "Seehofer ist als einer der Nachfolger zwar wahrscheinlich. Aber da er auch viele Gegner in der Partei hat, hat Ramsauer als Unbelasteter aus der Bundespolitik ebenfalls gute Chancen." In der ARD sagte Seehofer: "Ein einfaches Weiter so wird es nicht geben." Die Partei werde zügig Konsequenzen ziehen.

Vorläufiges amtliches Endergebnis

Die CSU kam auf 43,4 Prozent und verlor laut Landeswahlleitung gut 17 Prozentpunkte im Vergleich zum Spitzenergebnis von 2003 (60,7 Prozent). Damit verzeichneten die Christsozialen ihr schwächstes Ergebnis seit 1954 (38,0 Prozent). Seit 1950 (SPD in West-Berlin) hat keine Partei bei einer Landtagswahl so massiv Stimmen verloren. Die bisherigen Oppositionsparteien SPD und Grüne sowie die neu ins Parlament gewählten Parteien lagen gemeinsam über dem CSU-Ergebnis und eroberten insgesamt mehr Sitze im Landtag.

Die seit fünf Jahrzehnten oppositionelle SPD kam auf 18,6 Prozent (2003: 19,6). Die Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Franz Maget lagen damit noch unter dem bisher schlechtesten Nachkriegsergebnis in Bayern vor fünf Jahren. Das von Maget angestrebte Vierer-Bündnis gegen die CSU galt als völlig unrealistisch.

Die bisher nur auf kommunaler Ebene relevanten Freien Wähler (FW) kamen auf 10,2 Prozent (2003: 4,4). Die Grünen verbesserten sich auf 9,4 Prozent (2003: 7,7), die FDP auf 8,0 Prozent (2003: 2,6). Die in Bremen, Hessen, Niedersachsen und Hamburg erfolgreiche Linkspartei blieb bei ihrem ersten Antreten in Bayern deutlich unter der Fünf- Prozent-Hürde (4,3 Prozent). Die Wahlbeteiligung war ähnlich niedrig wie 2003 (57,1 Prozent).

Keine leichte Zeit für Merkel

Bundespolitisch galt die Bayern-Wahl als Stimmungstest für die große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Blick auf 2009. Die massiven CSU-Verluste schwächen nun auch die Union insgesamt. 2005 hatte die CSU mit ihrem Bundestagswahl-Ergebnis von 49,2 Prozent der Union einen knappen Vorsprung vor der SPD beschert - ohne die Christsozialen wäre Merkel nicht Kanzlerin geworden. Eine neuerliche Schlappe der CSU im kommenden Jahr könnte die angestrebte schwarz-gelbe Koalition gefährden. Die neue SPD-Führung um Müntefering und Steinmeier strebt 2009 ein rot-grünes Bündnis oder eine "Ampel- Koalition" unter Einschluss der FDP an. Die CDU sah trotz "bitterer Verluste" für ihre Schwesterpartei CSU keine negativen Auswirkungen auf die große Koalition. CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla ging davon aus, dass die anstehenden Fragen "einvernehmlich entschieden werden". Steinmeier sagte in Berlin: "Wir erwarten, dass die Union die Handlungsfähigkeit der Regierung sicherstellt."

Erinnerungen an den "Übervater"

Noch unter Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte die CSU vor fünf Jahren das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Freistaats eingefahren, verbunden mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Landtagsmandate. Stoiber war vor einem Jahr auf Druck seiner eigenen Partei zurückgetreten. Der Start des Führungsduos Huber/Beckstein war durch die Milliarden-Belastungen bei der BayernLB, das Aus für den Transrapid, die Querelen um das Rauchverbot und den Dauerstreit um die Schulpolitik belastet worden. Beide hatten dennoch "50 Prozent plus X" als Wahlziel ausgegeben. Huber sieht die Verantwortung für die Verluste nicht nur bei der aktuellen Führungsspitze. "Der Wähler hat die gesamte Politik seit 2003 im Blick gehabt", sagte er, ohne seinen Vorgänger Stoiber namentlich zu nennen.

Mehrheit in der Bundesversammlung

Besonders interessant war die Bayern-Wahl mit Blick auf die Bundesversammlung, die Ende Mai 2009 den Bundespräsidenten wählt. Der Rückgang der CSU-Stimmenzahl dort wird nun wohl weitgehend durch den Erfolg der FDP und der eher konservativen Freien Wähler kompensiert. Eine knappe Mehrheit für Amtsinhaber Horst Köhler in der Bundesversammlung ist angesichts unveränderter Lager in Bayern in Reichweite. Im Bundesrat schrumpft die klare Mehrheit für Schwarz- Rot, falls die CSU mit der FDP in Bayern koaliert.

Ursachen sind hausgemacht

Die erdrutschartigen Verluste der CSU haben nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen ihre Ursache fast ausschließlich in Bayern. Das Ansehen der CDU im Bund hat sich seit 2003 nicht geändert (1,5 auf der +5/-5-Skala). Dagegen erhält die CSU in Bayern jetzt nur noch einen Imagewert von 1,6, im Jahr 2003 lag dieser noch bei 2,4. Das Ansehen von Bundeskanzlerin in Bayern ist mit 1,8 höher als das des bayerischen Ministerpräsidenten.

Quelle: ntv.de

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