Politik

Wiener Koalition in Turbulenzen Finanzminister unterliegt "Wildwest-Achse"

Michael Spindelegger gibt entnervt auf.

Michael Spindelegger gibt entnervt auf.

(Foto: AP)

Paukenschlag in Wien: Michael Spindelegger gibt alle seine Ämter auf. Der Konservative steht in der Steuerreformdebatte seit geraumer Zeit unter Beschuss aus den eigenen Reihen. Die regierende Große Koalition steht nun vor schwierigen Zeiten.

Es war eine spektakuläre Pressekonferenz des Michael Spindelegger. "Ich trete von allen Ämtern zurück. Dies ist mein letzter Medienauftritt, auf Wiedersehen", meinte der österreichische Finanzminister und marschierte aus dem Saal. Die in Österreich mitregierende konservative Volkspartei (ÖVP) befindet sich damit in einer tiefen Krise - und somit auch die Große Koalition mit den Sozialdemokraten (SPÖ). Spindelegger gab auch seinen Posten als ÖVP-Vorsitzender auf. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann muss sich an einen neuen Vize gewöhnen.

Schwierige Koalition: Spindelegger mit Bundeskanzler Werner Faymann.

Schwierige Koalition: Spindelegger mit Bundeskanzler Werner Faymann.

(Foto: AP)

Die Pressekonferenz war kurzfristig einberufen worden. Die ÖVP-Minister zeigten sich auch in ersten Reaktionen überrascht. Selbst der Kanzler war nur wenige Minuten zuvor über den bevorstehenden Rücktritt Spindeleggers unterrichtet worden. Der 54-Jährige begründete seinen Schritt mit dem aktuellen Streit um die Steuerreform. Er habe in seiner Partei Loyalität und Paktfähigkeit vermisst, sagte er. "Wenn es keinen Zusammenhalt mehr gibt, ist es Zeit, das Ruder zu übergeben."

Die eigenen Leute waren es, die Spindelegger zur Aufgabe getrieben haben. Die Kritik aus den Reihen der ÖVP-Landesfürsten war in den vergangenen Wochen immer lauter geworden. Sie ließen kein gutes Haar an ihrer Bundespartei und forderten mehr Tempo bei der Steuerreform. "Die Partei gehört neu aufgeladen", sagte zum Beispiel der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer.

Sein Vorarlberger Kollege Markus Wallner verlangte, die Bundesregierung in Wien müsse "deutlich einen Zahn zulegen". Er beklagte die hohe Steuerbelastung der Österreicher und die ausufernde Bürokratie in der Alpenrepublik. Aus Tiroler - hier ist ÖVP-Mann Günther Platter  Regierungschef - kamen noch schärfere Töne. Der dortige Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl legte Spindelegger den Rücktritt nahe, dem kam der Gescholtene nun nach. Vorarlberg, Tirol, Salzburg - das Wiener Nachrichtenmagazin "Profil" spricht von der "Wildwest-Achse", die den ÖVP-Bundesvorsitzenden nun zu Fall gebracht hat.

Rechtspopulisten im Nacken

Spindelegger fühlte sich in die Ecke gedrängt und fand nicht mehr heraus. Einerseits will der Koalitionspartner SPÖ  eine Vermögenssteuer einführen, diese lehnt die ÖVP aber ab. Andererseits verlangen die Konservativen Steuererleichterungen, diese sind wegen des großen Haushaltslochs in Wien - die Pleitebank Hypo Alpe Adria hat eine gehörige Aktie daran - kaum zu stemmen.

Die Steuerreform sei nur über eine massive Belastung des Mittelstands oder neue Schulden zu stemmen, sagte Spindelegger. Dies sei aber nicht der richtige Weg. Eine Entlastung der Steuerzahler sei zwar nötig, aber zum richtigen Zeitpunkt. "Jetzt ist eine Situation erreicht, wo aus der eigenen Partei ein klares Signal kommt. Jetzt gewinnen die die Oberhand, die sagen, wir müssen auf diesen Populismuszug aufspringen." Das halte er jedoch nicht für richtig. Mit der geplanten Reform will Österreich über Steuersenkungen das Wachstum ankurbeln. Wie sie finanziert werden soll, war jedoch bis zuletzt unklar.

Spindelegger hatte die ÖVP-Führung 2011 nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Josef Pröll übernommen. Er leitete zunächst das Außenministerium, bevor er nach der Nationalratswahl Ende September 2013, die eine Fortsetzung der Großen Koalition brachte, ins Finanzministerium wechselte. Als Parteichef hatte er wegen der mächtigen Landeshauptleute einen schweren Stand. Bei der jüngsten Parlamentswahl erreichte die ÖVP nur 24 Prozent und war damit schwächer als die SPÖ (26,8). Bei der Europawahl am 25. Mai dieses Jahres behaupteten die Konservativen zwar ihren Spitzenplatz mussten aber mit 27 Prozent (2009: 30) Einbußen hinnehmen.

Damit läuft die ÖVP Gefahr, von den rechtspopulistischen Freiheitlichen (FPÖ) überholt zu werden. Die Truppe von Heinz-Christian Strache profitiert seit geraumer Zeit von den Wiener Koalitionsquerelen.

Quelle: ntv.de

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