Von PKK entführte Deutsche Freilassung angekündigt
09.07.2008, 19:51 UhrIn der Osttürkei sind drei deutsche Bergsteiger von Kämpfern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verschleppt worden. Die Entführten seien zusammen mit zehn anderen auf dem Berg Ararat in der Osttürkei unterwegs gewesen, sagte der Gouverneur der Provinz Agri, Mehmet Cetin. Die PKK will laut Cetin ihre Geiseln in den kommenden Tagen wieder freilassen. Sie habe die Verschleppung mit den "jüngsten Aktionen" der Bundesregierung gegen die Organisation begründet.
Bei den Entführten handelt es sich nach Angaben des Münchner Anbieters seb-tours um eine Reisegruppe aus Bayern. Franz Eder betonte, er habe zurzeit keinen Kontakt zu der Gruppe. Der deutsche Reiseleiter habe die Gruppe nur bis zum Dienstag begleitet, dann habe ein türkischer Kollege wie vorgeschrieben den Aufstieg der Bergsteiger auf den Ararat begleitet. Der deutsche Reiseführer selbst wollte sich nicht äußern. Er werde von der Polizei vernommen, sagte er am Telefon. Der Münchner Veranstalter bietet Wander- und Treckingtouren mit Schwerpunkt Türkei an.
Entführte aus Nieder- und Oberbayern
Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kommen die entführten Männer aus Nieder- und Oberbayern und sind 33, 47 und 65 Jahre alt. Die Information stamme von einer bayerischen Kriminalbeamtin, die Mitglied der Reisegruppe sei. Sie habe gleich nach der Entführung ihre Dienststelle telefonisch informiert. Der Deutsche Alpenverein (DAV) teilte mit, dass es sich bei den drei Entführten um Mitglieder der DAV-Sektion Kelheim handele. Der DAV stehe in Kontakt mit dem Krisenstab des Auswärtigen Amtes.
Dort hieß es, der Krisenstab bemühe sich im engen Kontakt mit der deutschen Botschaft und mit den Behörden in der Türkei, sich ein "präzises Lagebild" zu verschaffen. "Die deutsche Botschaft ist eingeschaltet und geht den Hinweisen mit Hochdruck nach", sagte ein Sprecher des Außenamtes in Berlin. Einzelheiten könne er nicht zuletzt aus Sorge um die Sicherheit der Deutschen nicht nennen.
Abendlicher Überfall im Camp
Die Bergsteigergruppe hatte in 3200 Metern Höhe mit Genehmigung der Behörden ihr Camp aufgeschlagen, sagte Gouverneur Cetin. Dort seien die Bergsteiger am Dienstagabend gegen 22.00 MESZ von mehreren PKK-Kämpfern überfallen worden. Drei der Deutschen seien verschleppt worden. Die Grenzpolizei habe eine großangelegte Suche eingeleitet. Die zehn anderen Mitglieder der Gruppe seien inzwischen in die Stadt Dogubayazit zurückgekehrt.
Harte deutsche Haltung kritisiert
Laut ARD haben die Entführer das deutsche PKK-Verbot 1993 und die Aufnahme der PKK in die europäische Terrorliste als Beispiele für die von ihnen kritisierten deutschen "Aktionen" genannt. Eine Rolle könnte nach Ansicht deutscher Sicherheitsbehörden auch das am 19. Juni 2008 vom Bundesinnenministerium verhängte Betätigungsverbot für den kurdischen Fernsehsender Roj-TV gespielt haben. Der in Dänemark ansässige Sender diente nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Sprachrohr der verbotenen PKK. Aufgrund des Verbotes wurde die in Wuppertal beheimatete TV-Produktionsgesellschaft "Viko Fernseh Produktion GmbH" aufgelöst.
AA erlässt Reisewarnung
In einem "Aktuellen Hinweis" rät das Auswärtige Amt von Reisen in die osttürkischen Provinzen Hakkari, Sirnak und Mardin sowie das Gebiet um Siirt dringend ab. "Infolge der deutschen Maßnahmen gegen den PKK-nahen kurdischsprachigen TV-Sender Roj-TV liegen Gefährdungshinweise für die Provinzen Hakkari, Sirnak und Mardin vor. Es ist nicht auszuschließen, dass Deutsche, insbesondere Individualreisende, in diesen Provinzen Opfer von Racheaktionen (Anschläge, Überfälle, Entführungen) durch PKK-Terroristen werden könnten", heißt es.
Obwohl der Entführungsort am Berg Ararat ungefähr 250 Kilometer nördlich der gefährdeten Provinzen liegt, schließen Sicherheitsexperten einen Zusammenhang zwischen dem Betätigungsverbot für Roj-TV und der Geiselnahme nicht aus.
Reise-Spezialisten ändern ihr Programm
Als Reaktion auf die Entführung änderten deutsche Trekkingreisen-Spezialisten ihr Programm in der Ost-Türkei. Der Trekkingreisen-Spezialist Hauser Exkursionen sagte eine für den 23. Juli geplante Reise zum Ararat ab. Eine Gruppe des Anbieters, die schon in der Türkei sei und zum Ararat hätte weiterreisen sollen, werde im Taurusgebirge und in Kappadokien bleiben, sagte Geschäftsführer Michael Schott. Damit werden die Bergsteiger die Kurdengebiete nicht betreten. Die Teilnehmer können kostenlos stornieren oder auf andere Reiseziele ausweichen. Auch der DAV Summit Club, ein Ableger des Deutschen Alpenvereins, erwägt die Absage einer Ararat-Tour, die am 26. Juli beginnen soll.
Krieg seit über 20 Jahren
Der Große Ararat ist mit 5165 Metern der höchste Berg der Türkei und ein beliebtes Ziel von Bergsteigern. Der Berg war zwischen 1992 und 2000 wegen PKK-Aktivitäten in der Region gesperrt, ist aber seit 2000 für Ausländer wieder zugänglich. Die PKK kämpft seit 1984 für einen eigenen Staat der Kurden oder zumindest ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei, auch mit Anschlägen in Touristengebieten.
Bislang hat der Krieg zwischen dem türkischen Militär und der PKK, die unter verschiedenen Namen auftritt, bis zu 37.000 Menschen das Leben gekosten - darunter türkische Soldaten, PKK-Kämpfer und Zivilisten. Tausende Dörfer wurden verwüstet, hunderttausende Kurden flohen vor dem Terror in andere Landesteile. Westliche Geheimdienste schätzen die Gesamtzahl der PKK-Kämpfer auf bis zu 5000.
Quelle: ntv.de