Der Kriegstag im Überblick Front im Donbass verhärtet - Kiew fehlen wohl Ersatzteile für deutsche Panzerhaubitzen
18.11.2022, 20:35 Uhr
Zerstörung in der Region Donezk. Die russischen Streitkräfte errichten östlich der Frontlinie offenbar neue Verteidigungsanlagen.
(Foto: AP)
Im Osten der Ukraine wird weiterhin schwer gekämpft, der Frontverlauf verändert sich dabei aber kaum. Laut britischen Experten bereitet sich Russland aber auf weitere Rückschläge vor. Selbst auf der Krim entstehen derzeit neue russische Verteidigungslinien. In Polen rechnet man derweil mit weiteren Raketeneinschlägen. Der 268. Kriegstag im Überblick.
Heftige Gefechte im Donbass - Frontverlauf stagniert
Im Kohle- und Stahlrevier Donbass im Osten der Ukraine liefern sich ukrainische und russische Truppen heftige Gefechte, wobei sich der Frontverlauf derzeit kaum verändert. Der ukrainische Generalstab meldete Artillerie- und Panzerbeschuss auf Dörfer wie Wodjane, Krasnohoriwka und Marjinka bei der Stadt Awdijiwka. Die Kiewer Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar, deckten sich in diesem Fall aber mit Berichten russischer Militärblogger. Weiterer Schwerpunkt der Gefechte ist laut Lagebericht des ukrainischen Generalstabs die Region um die Stadt Bachmut. Dort seien ukrainische Stellungen mit Panzern, Minenwerfern, Rohr- und Raketenartillerie beschossen worden. Auch hier ist der Frontverlauf seit Monaten praktisch unverändert.
Heftigen Artilleriebeschuss habe es auch am Frontabschnitt von Kupjansk gegeben. Dieser wichtige Eisenbahnknoten im Gebiet Charkiw war bei dem schnellen Vorstoß der ukrainischen Armee im September zurückerobert worden. Allerdings sind die Ukrainer seitdem Richtung Osten kaum weiter vorangekommen. Im Gebiet Saporischschja beschossen nach örtlichen Behördenangaben russische Truppen nachts ein Dorf mit den eigentlich zur Flugabwehr bestimmten Raketen des Systems S-300. Es sei ein Gebäude zerstört, Menschen aber nicht verletzt worden.
Russland hebt Schützengräben auf der Krim aus
Die russischen Behörden beginnen auf der 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim mit dem Bau von Verteidigungslinien. Die Befestigungsarbeiten sollten die "Sicherheit der Krimbewohner" garantieren, sagt der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef, Sergej Aksjonow, auf einer Sitzung der Krimverwaltung. In erster Linie solle die Sicherheit jedoch im weiterhin russisch besetzten Teil des angrenzenden Gebietes Cherson gewährleistet werden. Von dort führt eine schmale Landenge auf die Krim. Ende vergangener Woche hatte die russische Besatzung das rechte Ufer des Flusses Dnipro und damit auch die Gebietshauptstadt Cherson geräumt.
London: Russland bereitet sich auf Rückschläge vor
Neue russische Schützengräben entstehen laut britischen Militärexperten auch nahe der Grenze der Krim und des Flusses Siwerskyj Donez zwischen den Regionen Donezk und Luhansk. London sieht dies als Beleg dafür an, dass Russland sich in der Ukraine auf weitere Rückschläge vorbereitet. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach fokussieren sich die russischen Streitkräfte nach ihrem Rückzug vom westlichen Ufer des Flusses Dnipro in den meisten von ihnen besetzten Teilen des Landes darauf, sich neu zu ordnen und Vorkehrungen zur Verteidigung zu treffen.
"Die Standorte befinden sich teilweise bis zu 60 Kilometer hinter der aktuellen Frontlinie, was nahelegt, dass die russischen Planer Vorbereitungen treffen für den Fall weiterer größerer ukrainischer Durchbrüche", heißt es in der Mitteilung aus London. Es sei jedoch auch wahrscheinlich, dass Russland versuchen werde, einige der aus der südukrainischen Stadt Cherson abgezogenen Truppen zur Verstärkung seiner offensiven Einsätze nahe der Stadt Bachmut in die Region Donezk zu verlegen.
Millionen Ukrainer ohne Strom
Russische Raketenangriffe beschädigen das ukrainische Stromnetz anscheinend noch stärker als bisher bekannt. "Beinahe die Hälfte unseres Energiesystems ist ausgefallen", sagte Regierungschef Denys Schmyhal der Nachrichtenagentur Unian zufolge. Die Ukraine benötige daher zusätzliche Unterstützung von der Europäischen Union im Energiebereich und auch finanziell.
Polen erwartet weitere Raketeneinschläge
Nach dem tödlichen Raketeneinschlag auf polnischem Staatsgebiet rechnet Polens Präsident Andrzej Duda mit weiteren Vorfällen dieser Art. "Leider müssen wir in gewissem Sinne darauf vorbereitet sein, dass sich Unfälle als Folge des Krieges an unserer Grenze wiederholen können", sagte Duda. Zwar werde Polen alles tun, um sicherzustellen, dass dies nicht passiere. Doch leider sei es unmöglich, sich vor so einem Ereignis wie dem Raketeneinschlag zu schützen, so Duda weiter. Militärexperten hätten ihm erklärt, dass kein Raketenabwehrsystem in der Lage gewesen wäre, dieses Geschoss auf polnischem Hoheitsgebiet abzufangen, da dafür die Zeit nicht ausgereicht hätte.
Russland wirft Ukraine Exekutionen vor
Das russische Außenministerium wirft der Ukraine vor, russische Kriegsgefangene durch Kopfschüsse hingerichtet zu haben. In Bezug auf ein in russischen sozialen Medien verbreitetes Video hieß es, dies zeige "die vorsätzliche und methodische Ermordung von mehr als zehn bewegungsunfähigen russischen Soldaten durch degenerierte ukrainische Truppen mit direkten Schüssen in den Kopf". Die Aufnahme zeige das "abscheuliche Wesen" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seines Regimes. Die Echtheit des Videos konnte nicht überprüft werden, eine Stellungnahme der ukrainischen Regierung liegt nicht vor. Tatsächlich ergaben sich in dem Video zahlreiche russische Soldaten und legten sich, die Hände erhoben, vor ein Gebäude, in dem sie sich zuvor versteckt hatten. Dann trat ein weiterer russischer Soldat aus dem Gebäude und eröffnete das Feuer auf die ukrainischen Soldaten. Die erwiderten das Feuer und töteten offenbar sowohl den Angreifer als auch die sich zuvor ergebenden russischen Soldaten. Ob letzte tatsächlich nachträglich exekutiert wurden oder in dem Schusswechsel starben, lässt sich nicht klären.
Melnyk ist ukrainischer Vize-Außenminister
Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ist zum Vize-Außenminister ernannt worden. Diese Entscheidung habe das Ministerkabinett in Kiew getroffen, meldeten ukrainische Medien unter Berufung auf den Vertreter der Regierung im Parlament, Taras Melnytschuk.
Am Morgen hatte Melnyk noch eine Botschaft aus dem verschneiten Kiew geschickt, um den Ernst der Lage für Ukrainer angesichts des Schneefalls und der russischen Raketenoffensiven zu untermauern. Diese richtete der mittlerweile im Außenministerium der Ukraine tätige Politiker direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz. "Morgen, Herr Bundeskanzler aus Kyjiw", twitterte er mit einem Selfie, das ihn vor einer verschneiten Parkbank zeigt. "Es ist Minus 5 Grad." Jeder vierte seiner Landsleute, zehn Millionen Ukrainer, blieben ohne Strom und Wasser. "Wollen Sie nicht, Herrn Putin ein Ultimatum zu stellen, dass er seinen Raketenterror stoppt? Oder warten Sie, bis es zu spät ist und alle Ukrainer erfrieren?"
Ersatzteile für gelieferte deutsche Panzerhaubitzen fehlen
Planungsfehler bei der Ersatzteilbestellung gefährden zunehmend die Einsatzbereitschaft der deutschen Panzerhaubitzen in der Ukraine. Nach der Lieferung von insgesamt 14 Panzerhaubitzen 2000 versäumte das Bundesverteidigungsministerium offenbar, rechtzeitig Ersatzteilpakete zu bestellen, um die Waffensysteme regelmäßig instand zusetzen, berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Mittlerweile ist ein Großteil der Systeme durch den intensiven Einsatz an der Front in der Ostukraine reparaturbedürftig. Zwar wurden kürzlich sechs deutsche Haubitzen zur Überholung nach Litauen gebracht. Da jedoch die nötigen Ersatzteile weder bei der Industrie noch bei der Bundeswehr verfügbar waren, mussten die Techniker eine der Haubitzen ausschlachten und in Litauen stehen lassen.
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Quelle: ntv.de, mdi/dpa/AFP/rts