Verspätetes Erfolgsmodell Führerschein mit 17 stärkt Familien
03.01.2011, 14:11 Uhr
Beim Autofahren stärken Eltern nicht nur die Fahrkompetenz ihrer Kinder.
(Foto: dpa)
Seit dem 1. Januar können Jugendliche bundesweit schon mit 17 den Führerschein machen. Ein Jahr lang beaufsichtigt dabei ein Begleiter den Fahranfänger. Der Fahrlehrerverband sieht in dem Projekt nur Vorteile, denn lernen Eltern zum Beispiel ihre pubertierenden Kinder besser kennen.
Peter Glowalla spricht von der "Schissbremse". Gemeint ist ein Begleiter, der dem Fahranfänger sagt: "Du, fahr da nicht zu schnell in die Kurve." Auch dank des zur Vorsicht mahnenden Begleiters habe sich die Zahl der Unfälle bei jungen Fahranfängern um 22 bis 25 Prozent reduziert, sagt Glowalla, der seit 45 Jahren eine Fahrschule in Berlin betreibt. Etwas Negatives zu dem seit Jahresbeginn bundesweit möglichen Führerschein ab 17 fällt dem Vizepräsidenten der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände nicht ein.
Dabei müssen die jungen Leute bis zum 18. Geburtstag beim Autofahren von einem Erwachsenen begleitet werden. "Es ist so ein Erfolgsmodell, dass man sich fragt, warum man nicht schon 20 Jahre früher draufgekommen ist", sagt der 70-jährige Glowalla.
Hauptsächlich Mütter stärken Fahrkompetenz
Das begleitete Autofahren war seit 2004 in den Ländern erfolgreich erprobt worden. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer erhofft sich dadurch weniger Unfälle durch junge Leute: "Das begleitete Fahren verbessert die Fahrkompetenz der Fahranfänger erheblich."
Begleiter darf sein, wer seit fünf Jahren den Führerschein besitzt, mindestens 30 Jahre alt ist und nicht mehr als drei Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei hat. Wenn man lieber einen Kumpel neben sich sitzen hat, kann der Aufpasser auch hinten Platz nehmen. Laut Glowalla sind 90 Prozent der Begleiter die Eltern, "überraschenderweise meist die Mütter".
Eltern sehen ihr Kind öfter
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm aus der Modellphase aber ein Vater, der sagte: "Ich lerne zum ersten Mal meinen Acht-Minuten-Sohn kennen." Gegenfrage Glowalla: "Warum Acht-Minuten-Sohn?" Antwort des Vaters: "Ich sehe ihn sonst allenfalls zwei Minuten zum Frühstück, zwei Minuten zum Abendbrot und ein paar Minuten zwischendurch." So führe das begleitete Fahren ab 17 auch Familien stärker zusammen, sagt Glowalla erfreut. "Plötzlich kommen Eltern und Kinder ins Gespräch."
Statt des "echten" Führerscheins gibt es bis zum 18. Lebensjahr eine "Prüfungsbescheinigung", in der die Begleitpersonen eingetragen werden müssen. Deren Zahl ist unbegrenzt. Die zweijährige Probezeit startet mit Erhalt der Prüfbescheinigung. Die theoretische Prüfung kann maximal drei Monate vor dem 17. Geburtstag abgelegt werden, die praktische einen Monat davor. Wenn ein junger Fahrer unter 18 ohne Begleiter am Steuer erwischt wird, wird der Führerschein eingezogen.
Weniger Unfälle durch junge Leute
Obwohl die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen nur acht Prozent der Bevölkerung ausmacht, verursachen Autofahrer in dieser Altersklasse nach ADAC-Angaben ein Viertel aller Unfälle mit Personenschaden und jeden dritten Unfall mit Todesfällen. Das soll sich nun ändern, gerade weil die Begleiter Fahrerfahrung an die Anfänger vermitteln.
Der Fahrlehrerverband betont, das Modell sei einzigartig in Europa. In anderen Ländern wie Frankreich können nur Fahrstunden mit Begleitern absolviert werden. Allerdings gab es in der Modellphase ein starkes regionales Gefälle bei der Inanspruchnahme des Angebots. In Bayern waren es 50 Prozent der 17-Jährigen, in Berlin hingegen nur 12 Prozent. Im Bundesdurchschnitt waren es rund 30 Prozent.
Gesamturteil könnte nicht positiver sein
Oft fehlen finanzielle Mittel, schon so früh den Führerschein zu machen. In Städten wie Berlin komme das sehr gute Nahverkehrssystem hinzu, das den frühen Führerscheinerwerb nicht unbedingt erforderlich mache, sagt Glowalla. Zudem lebten immer mehr junge Menschen nicht mehr zu Hause, dadurch fehlten auch elterliche Begleiter. Dennoch ändere das nichts am Gesamturteil, sagt Glowalla: "Wo gibt es das schon? Alle sind glücklich und einverstanden - und das Beste: Es kostet nichts."
Quelle: ntv.de, Georg Ismar, dpa