SPD soll sich öffnen Gabriel regt Vorwahlen an
25.08.2010, 13:07 Uhr
Kurswechsel? SPD-Chef Gabriel macht sich so seine Gedanken über die Partei und Politik.
(Foto: APN)
SPD-Chef Gabriel möchte die Strukturen der SPD öffnen und etwa die Öffentlichkeit in Vorwahlen über den Kanzlerkandidaten abstimmen lassen. Zugleich geht Gabriel mit sich und seinen Politikerkollegen hart ins Gericht: "Wir wollen die Welt verändern. Aber häufig enden wir als Technokraten."
Drei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl hat SPD-Chef Sigmar Gabriel vorgeschlagen, den nächsten Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten mit Hilfe auch von Nicht-Mitgliedern über eine Vorwahl zu bestimmen. In einem Interview des "Stern" verwies er auf das Vorhaben der französischen Sozialisten, den nächsten Präsidentschaftskandidaten im Sommer 2011 bei einer Vorwahl durch Parteimitglieder, Sympathisanten, Wähler und Wahlhelfer ermitteln zu lassen. "Ich kann mir das auch in Deutschland vorstellen, wenn es mehrere Bewerber gibt", sagte Gabriel.
Bisher bestimmt ein Bundesparteitag den Kanzlerkandidaten der SPD, der letztlich von einem kleinen Führungszirkel ausgewählt wird. In einer bundesweiten Urabstimmung hatte die SPD 1993 die Mitglieder über den Parteivorsitz entscheiden lassen, nachdem der damalige Parteivorsitzende Björn Engholm als Spätfolge der Barschel-Affäre zurückgetreten war. In der Mitgliederbefragung setzte sich damals Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durch.
In Partei umstritten
In seiner Heimatstadt Goslar habe die SPD gute Erfahrungen mit dem französischen Modell gemacht, sagte Gabriel. Drei SPD-Mitglieder hätten sich für die Landratswahl in einer Vorwahl beworben, an der sich 1300 Bürger beteiligt hätten. "Es gab eine riesige öffentliche Aufmerksamkeit. Am Ende gewann die SPD mit ihrem Kandidaten im ersten Wahlgang - gegen den Trend in Niedersachsen", sagte Gabriel. Ihm sei aber klar, dass diese Idee in der SPD umstritten sei, räumte der Parteivorsitzende ein. "Natürlich wird es um solche Öffnungen auch Diskussionen geben."
Der SPD-Chef ordnete seinen Vorstoß in Bemühungen der SPD-Spitze ein, auch Sympathisanten ohne Parteibuch zur Mitarbeit zu gewinnen, um die Partei stärker für die Gesellschaft zu öffnen. "Parteien dürfen keine geschlossene Veranstaltung mehr sein", sagte Gabriel. Sie müssten sich als Werkstatt verstehen, bei der jeder mitarbeiten könne, auch wenn er nicht gleich Parteimitglied werden wolle.
"Druck der Medien"
Hart ging Gabriel mit seinem eigenen Berufsstand ins Gericht. Die Politik sei oft zu kleinmütig, sie traue sich zu wenig. "Wir sind doch - egal welcher Partei wir angehören - Politiker geworden, weil wir die Welt verändern wollten. Aber häufig enden wir als Technokraten." Man dürfe als Politiker "nicht gleich aufgeben, wenn man mal scheitert".
Zugleich warb er für einen pfleglicheren Umgang der Politiker untereinander. "Die Politik ist schneller, härter geworden. Als Parteivorsitzender, Minister oder Regierungschef sind Sie zeitlich, körperlich und psychisch einer ungeheuren Anstrengung ausgesetzt. Der Druck der Medien bis hinein ins Privatleben ist verdammt groß geworden", meinte Gabriel. Man müsse zwar kein Mitleid mit Politikern haben. "Aber es sollte der Satz meiner Großmutter gelten: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andern zu."
Quelle: ntv.de, dpa/rts