Politik

Seehofers Prioritäten Gammelfleisch nicht so schlimm

Verbraucherminister Horst Seehofer hält das Gesundheitsrisiko durch Gammelfleisch für gering. Die jüngsten Skandale seien ärgerlich, doch "würde ich das nun nicht unbedingt an erste Priorität stellen, wenn es um den Schutz des Menschen geht", sagte der CSU-Politiker. Unter anderem die Vogelgrippe habe "eine ganz andere Dimension einer potenziellen Gefahr für den Menschen". Grüne, Linke und FDP warfen Seehofer erneut Untätigkeit vor.

Der Minister betonte, dass die mit den Ländern vereinbarten Maßnahmen zur Verhinderung neuer Gammelfleisch-Skandale zum größten Teil umgesetzt oder auf gutem Wege seien. Im Oktober werde er einen Gesetzentwurf ins Kabinett bringen, mit dem Lebensmittelhändler zur Meldung verpflichtet werden, falls ihnen unsichere Lebensmittel angeboten werden. Seehofer bekräftigte auch die Absicht, für in Deutschland gehandelte Schlachtabfälle eine Einfärbung vorzuschreiben. "Diese Maßnahmen sind geeignet, diese Dinge stark zurückzudrängen", sagte der Bundesminister.

Allerdings sei keine der Einzelmaßnahmen ein Durchbruch, und die nur national durchgesetzten Pflichten - etwa die Färbung oder der seit 2006 vorgesehene Rückmeldeschein für Fleischwaren vom Empfänger an den Erzeuger - ließen sich umgehen, solange die Europäische Union nicht mitziehe. Dort hätten solche Maßnahmen aber nicht den Hauch einer Chance. Die Mitgliedsländer hätten zwar auch Gammelfleischfunde, sie sähen das aber nicht so dramatisch. "Wir haben manche Erregungszustände, die andere Länder nicht nachvollziehen können", meinte Seehofer.

Er bleibe bei seiner Auffassung, dass vor allem qualitativ hochwertige Kontrollen der Schlüssel im Kampf gegen illegale Machenschaften sei. "Ohne Kontrollen findet man keine Täter", sagte er.

Seehofer wies Vorwürfe der Opposition zurück, wonach seine Kandidatur für den CSU-Vorsitz ihn von Kritik an Bayern abhalte. Von dort wurden zuletzt große Mengen Gammelfleisch illegal für die Döner-Produktion nach Berlin geliefert. Bayern habe "das Notwendige getan", sagte Seehofer. Die Behörden hätten eine landesweite Taskforce zur Lebensmittelkontrolle gegründet, die bis zu 90 Mitglieder haben werde. "Da hat sich Enormes verbessert", sagte Seehofer.

"Prioritätensetzung offenbart das Dilemma"

Die Grünen-Verbraucherpolitikerinnen Ulrike Höfken und Bärbel Höhn nannten Seehofers Gammelfleisch-Bilanz verheerend. Die bereits 2005 und 2006 angekündigten Maßnahmen seien noch immer nicht vollständig umgesetzt. Nötig seien ein bundesweit koordiniertes Kontrollprogramm, Schwerpunktstaatsanwaltschaften, Kontrollmöglichkeiten des Bundes und ein taugliches Verbraucherinformationsgesetz.

Der FDP-Agrarpolitiker Hans-Michael Goldmann nannte es eine "irritierende Feststellung", dass für Seehofer Gammelfleisch nicht oberste Priorität sei. "Seine Prioritätensetzung offenbart das ganze Dilemma", so Goldmann. "Gammelfleisch gammelt wegen der Untätigkeit von Herrn Seehofer fröhlich weiter in Deutschland vor sich hin. Das prioritäre Thema Vogelgrippe hat der Bundesagrarminister aber noch weniger im Griff." Goldmann warf Seehofer weiter vor, bei den Verbraucherthemen Telekommunikation, Vertragsversicherungen und Bahn-Verspätungen abgetaucht zu sein.

Die Links-Politikerin Karin Binder forderte Seehofer auf, beim Thema Gammelfleisch "den Fuß von der Bremse" zu nehmen und umfassende und lückenlose Kontrollen vorzuschreiben.

Der Bundesrat entscheidet an diesem Freitag über das Verbraucherinformationsgesetz, mit dem Behörden bei Gammelfleischfällen die Namen von Unternehmen nennen sollen. Zu den jüngsten Fällen zählt der eines Fleischhändlers in Wertingen in Bayern. Er soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft bis zu 180 Tonnen Schlachtabfälle umetikettiert und an Döner-Händler nach Berlin verkauft haben. Seehofer kritisierte, der zuständige Landrat habe die Spezialtruppe des Landes für Gammelfleischfälle offensichtlich nicht einsetzen wollen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen