Politik

Kundus und kein Ende Gegenangriff von Guttenberg

In der Kundus-Affäre bestreitet Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vehement, die Öffentlichkeit über den Charakter der Afghanistan-Mission getäuscht zu haben. Die Opposition sei bereits am 6. November darüber informiert worden, dass der Luftangriff auch Taliban-Kämpfern gegolten habe, sagte Guttenberg.

Guttenberg hat viel vom Strahlemann verloren.

Guttenberg hat viel vom Strahlemann verloren.

(Foto: dpa)

Die Opposition habe zudem seit dem 3. November den NATO-Bericht zu dem Angriff in deutscher Übersetzung vorliegen gehabt, so Guttenberg. Mit Blick auf die Rücktrittsforderungen aus der Opposition sagte er, SPD, Linke und Grüne müssten aufpassen, dass sie sich nicht selbst dem Vorwurf der Täuschung aussetzten. Guttenberg hatte den Angriff auf einer Pressekonferenz am 6. November als "militärisch angemessen" bezeichnet und diese Einschätzung am 3. Dezember revidiert.

Im übrigen müsse die Lage in Afghanistan viel offener und realistischer gezeigt werden. "Das Problem ist, dass wir die Realitäten allzu oft verschwiegen haben. Wir müssen sehr viel deutlicher werden", sagt zu Guttenberg in der ARD. Zugleich warnte der CSU-Politiker vor vorschnellen Bewertungen der Geschehnisse in dem Land: "Wir tun uns manchmal vergleichsweise leicht, aus der Distanz die Dinge in Kundus zu beurteilen. ... Wir müssen etwas aufpassen, dass wir die Debatte nicht auf dem Rücken der Soldaten austragen, die dort unten in kriegsähnlichen Zuständen sind." Was manchmal zu kurz komme, sei die subjektive Sicht derjenigen, die in jener Nacht dort gehandelt hätten, sagte der Minister über den umstrittenen Angriff auf zwei von den Taliban erbeutete Tanklaster.

Opposition formiert sich

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte in Berlin, für Guttenberg dürften "keine anderen Maßstäbe" gelten als für seinen Vorgänger Franz Josef Jung (CDU). Jung sei vorgeworfen worden, er habe entweder die Berichte zu dem Bombardement nicht verstanden oder sie bewusst zurückgehalten. Gabriel sagte, die Tanklastwagen, die bei Kundus in einem Flussbett steckten, seien nicht das eigentliche Ziel des Angriffs gewesen. Guttenberg habe auch in seiner Stellungnahme vor dem Bundestag am 3. Dezember einen falschen Eindruck über das Ziel des Bombardements erweckt: "Die Bundesregierung hat das Parlament und die Öffentlichkeit getäuscht."

Wusste Guttenberg schon früh Bescheid?

Wusste Guttenberg schon früh Bescheid?

(Foto: picture alliance / dpa)

Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier hat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch in dieser Woche eine Regierungserklärung zum Luftschlag in Afghanistan gefordert. "Täglich werden mehr neue Fragen aufgeworfen als beantwortet", sagte der SPD- Fraktionschef in Berlin. Die Soldaten im Afghanistan- Einsatz hätten Anspruch auf unverzügliche und vollständige Aufklärung.

Wer wusste wann was?

Nach Ansicht Steinmeiers wird Guttenbergs Haltung zu dem Einsatz in Kundus immer unübersichtlicher. So stelle sich immer stärker die Frage, warum Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert entlassen worden seien. Offenbar hätten beide darauf hingewiesen, dass Guttenberg bei seinem Amtsantritt alle notwendigen Informationen erhalten habe. Steinmeier kritisierte weiter, dass Guttenberg die Debatte um den Einsatz als "hysterisch" bezeichnet habe.

Merkel soll nach dem Willen der Opposition die "Karten auf den Tisch legen".

Merkel soll nach dem Willen der Opposition die "Karten auf den Tisch legen".

(Foto: picture alliance / dpa)

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im ZDF, Kanzlerin Merkel (CDU) müsse den Bundestag darüber informieren, ob zu dem Auftrag auch das gezielte oder vorbeugende Töten von Verdächtigen gehöre. Das sei durch das bestehende Mandat nicht gedeckt. Linken-Vizechef Klaus Ernst forderte, die Kanzlerin "muss Guttenberg zurückziehen". Sonst werde aus der Kundus-Affäre "ganz schnell eine Regierungskrise".

"Uneingeschränktes Vertrauen"

Die Vorstände beider Unionsparteien sprachen Guttenberg indes demonstrativ das Vertrauen aus. "Guttenberg ist die treibende Kraft bei der Aufklärung, nicht umgekehrt", sagte CSU-Chef Horst Seehofer in München. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte in Berlin, auch die Schwesterpartei stehe "uneingeschränkt" zum neuen Verteidigungsminister und seiner Amtsführung. Die von der Opposition und Medien geäußerte Vermutung, es habe "im Geheimen einen Strategiewechsel der Bundeswehr in Afghanistan gegeben", sei klar zurückzuweisen. Das Mandat der deutschen Soldaten sei unter breiter parlamentarischer und öffentlicher Beteiligung erörtert worden.

In Kundus starben auch zahlreiche Zivilisten.

In Kundus starben auch zahlreiche Zivilisten.

(Foto: AP)

Zu klären seien aber noch der genaue Hergang des Bombardements und die Bewertung, zu der der Untersuchungsausschuss dann auch geheime Unterlagen sichten müsse. Dass bei einem solchen Einsatz wie am 4. September in Kundus nicht nur der Tanklastwagen, sondern die Entführer getroffen werden sollten, könne nicht als gezielte Tötungsaktion verstanden werden.

Auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm widersprach den Vorwürfen, wonach der Auftrag für die Bundeswehr sich geändert habe: "Die Vorstellung, dass jenseits des Mandats, das der Bundestag erteilt, die Strategie fundamental geändert wird, ist abwegig." Die Bundesregierung bewege sich "weiterhin auf der Grundlage des Mandats". Wilhelm sowie der Sprecher des Verteidigungsministeriums verwiesen darauf, dass im Rahmen der konkreten Lage vor Ort grundsätzlich auch militärische Gewalt angewendet werden könne.

Nachfrage zur KSK

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, stellte den Fortbestand der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK in Frage. Wenn herauskäme, dass das Kommando Spezialkräfte diesen Bombenangriff verantworte, würde das KSK "in der jetzigen Form nicht überleben", sagte Arnold der "Berliner Zeitung".

Mehr Soldaten nötig

Die NATO fordert unterdessen bis zu 3000 zusätzliche Soldaten für den Norden Afghanistans, für den Deutschland das Regionalkommando hat. Das sagte der deutsche NATO-General Karl-Heinz Lather am Montag im militärischen Hauptquartier der NATO (SHAPE) in Mons. Aus Sicht von SHAPE sei eine Truppenaufstockung "in der Größenordnung von zwei Manöverelementen" nötig, sagte Lather. Gemeint sind damit zwei Bataillone von jeweils zwischen 250 und 1500 Mann. Deutschland muss deshalb im kommenden Jahr mindestens 500 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken.

Es war das erste Mal, dass die NATO für den unter deutschem Kommando stehenden Norden Afghanistans eine umrissartig bezifferte Anforderung zur Truppenaufstockung bekanntgab. Lather rechnet nach eigenen Angaben mit einer Entscheidung der Bundesregierung über die Entsendung weiterer Soldaten nach der Afghanistan-Konferenz Ende Januar.

Der Vier-Sterne-General Lather stellte sich auch vor den deutschen Oberst Georg Klein, der im September den Luftschlag gegen zwei Tanklastzüge bei Kundus angeordnet hatte. Es habe sich um ein "militärisch legitimes Ziel" gehandelt. Zudem habe Klein keine Bodentruppen gehabt, um aufständische Taliban zu verfolgen.

Quelle: ntv.de, sba/dpa/rts/AFP

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