Clintons "Bettelbrief" Geld dringend gebraucht
03.04.2008, 12:31 UhrZehntausende US-Bürger erhalten in diesen Tagen Post von Hillary Clinton, per Brief oder E-Mail. Die Anrede ist unterschiedlich, der Inhalt immer der gleiche. Clinton braucht dringend Geld, sonst kann sie sich ihre immer noch großen Hoffnungen auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur abschminken.
"Lieber Paul" heißt es beispielsweise in einem Schreiben an den Amerikaner Paul Bedford im Bundesstaat Pennsylvania, in dem am 22. April die nächste demokratische Kandidatenkür stattfindet. "Lieber Paul, wir machen weiter, stark und bis zum Ende... Aber wir müssen unsere (finanziellen) Quellen auffüllen. Paul, kann ich darauf bauen, dass Sie unserem Wahlkampf mit einem Geschenk von 100 oder 50 Dollar helfen? Danke, dass Sie für mich da sind. Ich verspreche, dass ich jeden Tag für Sie da sein werde, wenn ich im Weißen Haus bin."
Clinton braucht Rückenstärkung
Es war schon der zweite Hilferuf der Ex-First Lady innerhalb von nur wenigen Tagen. Erst am vergangenen Wochenende hatte sie via Internet in fast verzweifelt klingendem Ton um Spenden gebeten, die "jetzt mehr denn je" nötig seien. Es ist ein Versuch, noch kurz vor dem Ende des ersten Jahresquartals, ihre Kasse aufzufüllen.
Alle drei Monate muss der Bundeswahlkommission gemeldet werden, was an Spenden eingegangen ist. Ist der Fluss gut, spricht das für eine große Fan-Gemeinde oder lässt sich das zumindest als eine solche vermarkten. Und Hillary Clinton braucht eine solche Rückenstärkung "mehr denn je", nachdem ihr Rivale Barack Obama nicht nur in der Zahl der Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag der Demokraten im Spätsommer in Führung liegt, sondern sie auch stetig und zunehmend beim Spendensammeln aussticht.
Berg von unbezahlten Rechnungen
Insgesamt 197,3 Millionen Dollar (126 Millionen Euro) hat Obama bis Ende Februar im Wahlkampf eingenommen, Hillary kam auf 173,9 Millionen (112 Millionen Euro), rechnete die "Chicago Tribune" kürzlich vor. Und Obamas künftiges Spenderpotenzial ist größer als das der Ex-First Lady. Ihre "Kriegskasse" wurde hauptsächlich mit größeren Spenden gefüllt. Das heißt, viele Geber haben schon die Obergrenze dessen erreicht, was ihnen die Wahlkampffinanzierungs-Gesetze im Vorwahlkampf erlauben. Clintons Konkurrent dagegen hat eine Vielzahl von kleineren Spenden erhalten. Seine Geber können also noch gut draufsatteln.
Mehr als 300 Millionen Dollar haben die beiden Demokraten zusammen bisher im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ausgegeben. Letzte verfügbare Zahlen von Ende Februar zeigten Obama laut "Chicago Tribune" mit knapp 160 Millionen Dollar vor Clinton mit gut 140 Millionen. Und das schloss bei Hillary noch nicht den Berg von unbezahlten Rechnungen ein, die sich zu diesem Zeitpunkt in ihrer Wahlkampfzentrale stapelten.
Service für Clinton erst, wenn sie bezahlt hat
Wie aus Unterlagen der Wahlkommission hervorgeht, hatte die New Yorker Senatorin 8,7 Millionen Dollar Wahlkampfschulden, nachdem sie im Februar im Durchschnitt rund eine Million Dollar pro Tag ausgegeben hatte. Bei fast 700 Gläubigern stand sie in der Kreide - von Putzkolonnen über Saalvermieter bis hin zu Partyservice-Unternehmen. Sogar die High School in Illinois, die sie einst besuchte und deren Sporthalle sie für eine Kundgebung mietete, musste auf 3000 Dollar warten
Medien spekulierten prompt, dass das Clinton-Lager die Begleichung der Rechnungen verschieben musste, weil sonst das Geld für weitere Wahlkampfveranstaltungen und Fernseh-Werbespots ausgegangen wäre. Clintons Chef für Öffentlichkeitsarbeit, Howard Wolfson, beschwichtigte. Der Spendenfluss sei nach wie vor gut. "Wir bezahlen unsere Rechnungen".
Die Höhe der Schulden wurde in Expertenkreisen als Zeichen für Clintons prekäre Lage gewertet, zumal Obama nur mit gut 600.000 Dollar an unbezahlten Rechnungen in den Monat März gegangen war. Inzwischen gibt er vor allem in Pennsylvania wieder kräftig aus, mehr als zwei Millionen Dollar hat er dort bis Anfang April in TV-Werbung gesteckt, während Hillary nach Medienberichten nur etwa 500.000 Dollar ausgab. Wie die Publikation "The Politico" berichtet, kursiert inzwischen bei kleinen Event-Firmen, die auf jeden Dollar angewiesen sind, eine Warnung: Service für Clinton erst, wenn sie bezahlt hat.
Von Gabriele Chwallek, dpa
Quelle: ntv.de