Politik

Erschütterte SPD Gretchenfragen und Richtungskämpfe

Nach der personellen Neuaufstellung der SPD zeichnen sich die wesentlichen Diskussionspunkte der nächsten Zeit ab. Da ist zum einen die Frage möglicher Koalitionen mit der Linken und zum anderen der Umgang mit den Schröderschen Reformen der Agenda 2010.

Die Genossen haben gerade Mühe, den Glauben an die eigene Partei nicht zu verlieren.

Die Genossen haben gerade Mühe, den Glauben an die eigene Partei nicht zu verlieren.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die designierte Generalsekretärin Andrea Nahles, als SPD-Linke eingeordnet, strebt im Bund wie in den Ländern einen selbstbewussten Umgang mit der Linkspartei an. Dabei gehe es nicht um die Öffnung ihrer Partei, sondern um eine Normalisierung des Verhältnisses "in dem Sinne, dass die Linkspartei auch eine politische Konkurrenz für uns bleibt", sagte Nahles im Südwestrundfunk.

Ähnlich äußerte sich auch der vom SPD-Parteivorstand nominierte künftige Partei-Chef Sigmar Gabriel in der ARD: "Ich bin dafür, angstfrei mit der Linkspartei umgehen. Weder irgendetwas ausschließen, noch zu sagen, das sind die einzigen Partner, die wir haben." Er habe nichts dagegen, mit der Linkspartei zu koalieren, wenn das so gut funktioniere wie in Berlin. "Ich habe auch nichts dagegen, dass man mit denen 2013 über eine Koalition im Bund nachdenkt. Aber es muss inhaltlich stimmen." Dabei habe die Linkspartei inhaltlich noch einen weiten Weg bis zur Regierungsfähigkeit vor sich, sagte Gabriel.

Nahles betonte, die Sozialdemokraten hätten bei der Bundestagswahl in alle Richtungen verloren. "Wenn wir wieder Menschen an uns binden wollen, müssen wir selber selbstbewusst sein, müssen wir selber wissen, wofür wir stehen." Der SPD-Europa-Politiker Martin Schulz empfahl seinen Parteifreunden im Bund, mit Abgeordneten der Linken "unverkrampft miteinander zu kooperieren", - so wie dies zwischen SPD, Grünen und Linkspartei im EU-Parlament auch möglich sei.

Agenda 2010 war gestern

Die neue Generalsekretärin gibt sich dennoch selbstbewusst.

Die neue Generalsekretärin gibt sich dennoch selbstbewusst.

(Foto: REUTERS)

Eine inhaltliche Korrektur der SPD-Beschlüsse zur Rente mit 67 und zur Agenda 2010 lehnte Schulz indes in der "Rheinischen Post" ab. "Die Rente mit 67 ist in einer alternden Gesellschaft eine Logik", sagte das SPD-Präsidiumsmitglied. "Und eine Debatte über die Agenda 2010 wenige Monate vor dem Jahr 2010 ist unsinnig. Wir müssen über eine Agenda 2020 reden."

Kurz nach ihrer Nominierung hat auch die designierten Vizevorsitzenden Manuela Schwesig erste Akzente gesetzt. Nach ihrer Ansicht muss die Parteiführung wieder mehr auf ihre Parteibasis hören. Zu diesem "Herz der Partei" zählten auch all jene, "die in den Kommunen und in der Landespolitik Verantwortung tragen", sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern der Nachrichtenagentur AFP. Ihre Nominierung für einen der vier Stellvertreterposten an der SPD-Spitze sei auch ein Zeichen, dass die Partei dazu bereit sei. Schwesig, die erst seit einem Jahr Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern ist, war vorher SPD-Fraktionsvorsitzende in der Stadtvertretung Schwerins.

Sie freue sich, "dass die SPD sich für eine ostdeutsche Politikerin, die hier groß geworden ist, entschieden hat". Sie wolle dazu beitragen zu zeigen, dass es zahlreiche junge und selbstbewusste Ostdeutsche gibt, die bereit seien, Verantwortung zu übernehmen. Gleichwohl fühle sie sich nicht als ostdeutsches Aushängeschild der SPD, hob die 35-Jährige hervor. Sie stehe auch für eine moderne Frauen- und Familienpolitik.

Doch müsse die SPD zeigen, dass die neuen Länder ihr wichtig sind und dass sie die Ostdeutschen mit ihren speziellen Sorgen angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage oder ihrem "Frust über ungleiche Renten" ernst nimmt.

Heile, heile Segen

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse verteidigte unterdessen im Deutschlandfunk das rasche Vorgehen der SPD-Spitze bei der Auswahl einer neuen Parteiführung. Kritik daran halte er für falsch. Lange Personaldebatten hätten auch etwas Zerstörerisches. Generell sehe er die SPD nach der Wahl in einem Zustand tiefer Erschütterung, fügte Thierse hinzu. Aufgabe für die Zukunft sei es, sich als linke Volkspartei zu positionieren.

Der SPD-Vorstand hatte Gabriel am Vorabend mit 77,7 Prozent Zustimmung offiziell als neuen Parteichef nominiert. Gabriel wird nun auf dem SPD-Bundesparteitag Mitte November in Dresden als Nachfolger von Franz Müntefering kandidieren. Bei der Nominierung weiterer Kandidaten für die engere Parteiführung gab es einen deutlichen Dämpfer für die Parteilinke. Berlins Regierungschef Klaus Wowereit, der als neuer Vize in die Spitze aufrücken soll, kam nur auf eine Zustimmung von 61,1 Prozent. Die als neue Generalsekretärin vorgesehene Parteilinke Andrea Nahles erhielt 66,6 Prozent.

Die drei anderen Kandidaten für den Vize-Vorsitz, die NRW- Landesvorsitzende Hannelore Kraft, Arbeitsminister Olaf Scholz und Schwesig, verzeichneten dagegen jeweils eine Zustimmung von 86,1 Prozent.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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