"Ausstieg 2017 wäre kleinlich" Grüne bei Atomfrage uneins
24.06.2011, 07:30 Uhr
Die Grünen wollen sich ihren Erfolg nicht streitig machen lassen.
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Die Grünen stehen vor einer Zerreißprobe: Einerseits bestehen sie auf den eigenen Beschluss, schon 2017 aus der Atomkraft auszusteigen, andererseits wollen sie nicht die historische Chance verstreichen lassen, einem schwarz-gelben Ausstiegsbeschluss zuzustimmen, der dem der rot-grünen Bundesregierung sehr nahe kommt. Grünen-Urgestein Cohn-Bendit spricht von einem "starken Signal" innerhalb der EU.
Die Grünen sind kurz vor ihrem Sonderparteitag zum schwarz-gelben Atomausstieg weiter geteilter Meinung. Parteichefin Claudia Roth versprach ihrer Basis, auch nach einem Ja zur schwarz-gelben Energiewende umweltpolitisch weiter Druck zu machen. "Eine Zustimmung zum Atomausstieg ist kein Blankoscheck", sagte sie der "Mittelbayerischen Zeitung". Die Grünen pochten auf höhere Sicherheitsstandards. Dazu zähle die Einführung des neuen kerntechnischen Regelwerks, damit alle Atomkraftwerke bis zur Stilllegung auch wirklich sicher seien.
Außerdem dürfe Atomkraft nicht einfach durch Strom aus Kohle ersetzt werden, sagte Roth. Die Ausbauziele für erneuerbare Energien müssten erhöht und Gelder für den internationalen Klimaschutz dürften nicht angetastet werden.
Der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit empfahl seiner Partei in der "Berliner Zeitung" eine Zustimmung, weil der Ausstieg ein Sieg von Anti-Atom-Bewegung und Grünen sei. Diesen Erfolg dürften die Grünen nicht aus taktischen Gründen über Bord werfen. "Der rot-grüne Ausstieg wäre auch nicht vor 2022 gekommen – das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen", sagte Cohn-Bendit.
Auch wenn man Details kritisiere und laut eigenem Beschluss bereits bis 2017 aussteigen wolle, sollten die Grünen den "historischer Moment würdigen", sagte Cohn-Bendit. Angesichts dessen, wie die Debatte in der Welt laufe, auf einen Ausstieg bis 2017 zu bestehen, sei "nicht nur kleinlich, sondern es ist blind". Ein parteiübergreifender Konsens "wäre ein starkes Signal" innerhalb der EU, sagte der Europaparlamentarier.
Delegierten-Beschluss nicht bindend
Grünen-Bundesvorstandsmitglied Astrid Rothe-Beinlich bestätigte ebenfalls der "Berliner Zeitung", als einzige in dem sechsköpfigen Spitzengremium gegen den Leitantrag votiert zu haben, der ein Ja zum schwarz-gelben Ausstiegskonzept vorsieht. Sie könne dem nicht "ohne Wenn und Aber" zustimmen. Die Atomnovelle habe noch zu viele Lücken: Endlagersuche, ungelöste Sicherheitsfragen, AKWs in Kaltreserve.
Rothe-Beinlich betonte, der Beschluss der Delegierten sei letztlich für die Bundestagsfraktion nicht bindend. "Der Parteitag positioniert sich programmatisch. Für die Abgeordneten ist eine so wichtige Entscheidung eine Gewissensfrage."
Am Samstag entscheidet die Parteibasis, ob sie dem Ausstiegsplan der Bundesregierung zustimmt. Viele Grüne sind für eine Ablehnung, weil sie schon bis 2017 aussteigen wollen. Der Bundestag will am Donnerstag kommender Woche darüber entscheiden.
Quelle: ntv.de, dpa