Zugeständnis an Baubranche Habeck legt verschärfte Neubaustandards auf Eis
25.09.2023, 03:43 Uhr Artikel anhören
In den nächsten zwei Jahren müssen sich Bauherren wohl nicht mehr auf neue Dämmungsvorgaben einstellen.
(Foto: picture alliance / imageBROKER)
Die Bundesregierung kommt der kriselnden Bauwirtschaft entgegen: Die geplante Verschärfung von Klimaschutzvorgaben für Neubauten sei erst mal vom Tisch, sagt Wirtschaftsminister Habeck. Bis Ende 2025 dürfte der neue Standard nicht kommen.
Vor dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt rückt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von geplanten Klimaschutzvorgaben zur stärkeren Dämmung neuer Häuser ab. "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH 40 einzuführen", sagte der Grünen-Politiker, der auch Klimaschutzminister ist, der Nachrichtenagentur Reuters. "Das kann noch warten, vor der EU-Gebäuderichtlinie macht es auch keinen großen Sinn. Daher sehe ich diesen neuen Standard in dieser Legislaturperiode nicht mehr." Die von der Baubranche immer wieder kritisierten Pläne werden damit wohl bis Ende 2025 nicht kommen.
Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die kriselnde Baukonjunktur anzukurbeln, das entsprechende Papier liegt ntv vor. "Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Bau- und Wohnungswirtschaft durch hohe Zinsen und Baukosten ist die Verankerung von EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt", heißt es darin.
Bau-Experten argumentieren, noch strengere Vorgaben zur Dämmung von Neubauten seien sehr teuer, ohne aber für deutlich mehr Klimaschutz zu sorgen. Habeck sagte, es gehe jetzt darum, stärker die Baustoffe in den Blick zu nehmen, sodass diese möglichst klimafreundlich seien. "Bei der für 2024 geplanten Novellierung des Vergaberechts werden wir deshalb dafür Sorge tragen, dass Nachhaltigkeitskriterien unbürokratischer, einfacher und dadurch besser zum Tragen kommen."
Beim EH-40-Standard brauchen Neubauten nur 40 Prozent der Primärenergie im Vergleich zu einem Standard-Vergleichsbau. Dies wird nun nicht umgesetzt. Es bleibt damit beim Effizienzhaus-Standard EH 55, der derzeit wegen der staatlichen Förderung de facto der Standard für Neubauten ist. "Im Vergleich zum gesetzlichen Neubaustandard ist das KfW 55 Haus um 45 Prozent sparsamer", so die staatliche Förderbank KfW auf ihrer Homepage.
Geywitz kündigte Widerstand an
Wegen der aktuellen Krise der Baubranche hatte Bauministerin Klara Geywitz von der SPD bereits die Verschärfung der Energiestandards infrage gestellt. EH 40 sollte eigentlich ab Anfang 2025 vorgeschrieben werden. Die Abkehr davon ist ein Zugeständnis an die Baubranche, deren Lage sich zuletzt verschlechtert hatte. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Die Baupreise waren im zweiten Quartal um knapp neun Prozent zum Vorjahr gestiegen. Vor allem Projektentwickler stehen mit dem Rücken zur Wand und kämpfen in vielen Fällen ums Überleben.
Die Bundesregierung hatte zuletzt bereits bessere Abschreibungsmöglichkeiten auf den Weg gebracht. In der Immobilienbranche hieß es am Wochenende, bei der Wohneigentumsförderung von Familien solle die Einkommensgrenze von 60.000 auf vermutlich 80.000 Euro erhöht werden. Die Branche kritisierte, es gebe aber insgesamt nur kleinteilige Hilfsmaßnahmen der Regierung.
Die hohen Zinsen und die Inflation seien eine schwere Belastung für die Branche, bestätigte Habeck. "Aufträge brechen ein und für so manche Familie droht der Traum vom eigenen Haus zu platzen. Das alles in einer Phase, in der Wohnraum knapp ist und teuer." Deshalb müsse bezahlbarer Wohnraum in den Mittelpunkt gestellt werden. "Genauso wichtig ist es, gezielte Impulse für die Baubranche zu setzen, etwa indem wir steuerliche Anreize schaffen, Investitionen vorzuziehen. Auch gezielte Sanierungsanreize sind nötig und werden kommen. Das kann die Baukonjunktur anschieben und Fläche und Energiekosten bei bestehenden Gebäuden sparen." Belohnt werden sollen laut Habeck zügige Investitionen. "Langes Warten rechnet sich weniger."
Quelle: ntv.de, ino/rts