Nach dem UNICEF-Skandal Heraeus soll's richten
11.04.2008, 14:15 UhrDer Hanauer Unternehmer Jürgen Heraeus soll das deutsche Kinderhilfswerk UNICEF aus der monatelangen Vertrauens- und Personalkrise führen. Als neuer Vorsitzender folgt der 71-Jährige auf Heide Simonis, die ebenso wie UNICEF-Geschäftsführer Dietrich Garlichs nach Verschwendungsvorwürfen und verschwiegenen Provisionen im Februar zurückgetreten war.
Heraeus kündigte nach seiner Wahl eine umfassende Reform der deutschen UNICEF-Strukturen an. So sollen Vorstand und Geschäftsführung getrennt werden. Als wichtiges Anliegen nannte er die Zurückgewinnung von verunsicherten Großspendern, Förderern und ehrenamtlichen Helfern. UNICEF habe Fehler gemacht. "Es hat aber niemand in die Kasse gegriffen", betonte Heraeus.
Gegen hohe Managergehälter
Heraeus ist promovierter Betriebswirt und hat sein Hanauer Familienunternehmen zu einem Konzern mit mehr als 11.000 Mitarbeitern und gut zehn Milliarden Euro Jahresumsatz ausgebaut. Er betont gern, dass es sich nicht um eine Aktiengesellschaft handelt - und dass er auch kein Freund hoher Managergehälter sei. Er war an der Erstellung eines Kodex für gute Unternehmensführung im Mittelstand beteiligt. Diese Erfahrung wolle er für mehr Transparenz bei UNICEF nutzen.
Zu Heraeus' Stellvertretern wurden die ehemalige Dressurreiterin Ann Kathrin Linsenhoff und die Journalistin Maria von Welser gewählt. Sie betonten, dass UNICEF Transparenz schaffen und das Vertrauen der Spender wiedergewinnen müsse. Einen neuen Geschäftsführer will UNICEF noch suchen. Der Vorstand war am Donnerstag komplett neu gewählt worden. Die größte Krise seiner bisherigen Geschichte bis hin zur Aberkennung des Spendensiegels hat UNICEF Deutschland bisher mit einen Spendenrückgang von sieben Millionen Euro bezahlt.
Vorstand bunt gemischt
Dem neuen Vortand gehören der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Tom Koenigs, der Kuratoriumsvorsitzende der deutschen Zwangsarbeiterstiftung Dieter Kastrup, die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die ehemalige schleswig-holsteinische Justizministerin Anne Lütkes, der Unternehmer Peter Krämer, Ex-Dressurreiterin Ann Kathrin Linsenhoff und die Journalistin Maria von Welser an.
Mit Koenigs, Deligöz und Lütkes gehören nun drei Grüne dem UNICEF-Vorstand an. Ein neuer Geschäftsführer wurde bisher nicht bestimmt. Diesen Posten solle künftig eine Person außerhalb des Vorstands übernehmen, erklärte Heraeus.
Dem Gremium gehören als so genannte geborene Mitglieder weiterhin Carmen Creutz und Andrea Flory-Tilgner aus dem UNICEF-Beirat an. Alle anderen früheren Mitglieder hatten ihre Vorstandsämter zur Verfügung gestellt. Das gesamte Treffen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Trennung von Vorstand und Geschäftsführung
Sachlich und ernst trug der Unternehmer in seiner ersten Rede als UNICEF-Chef vor, was sich beim deutschen Kinderhilfswerk alles ändern wird: Neben der Trennung von Vorstand und Geschäftsführung sollen Geschäftsberichte künftig aussehen wie bei einem Unternehmen, kündigte er an. Spenden und Verwaltungskosten würden darin detailliert ausgewiesen.
Transparenz-Initiative
Es soll eine gemeinsame Transparenz-Initiative mit anderen Hilfsorganisationen geben, einen UNICEF-Verhaltenskodex für den Geschäftsverkehr und verbindliche Richtlinien für Finanz- und Vertragsmanagement. Die UNICEF-Satzung soll überarbeitet und modernisiert werden. Es soll ein neues Leitbild für die Zusammenarbeit zwischen Basis und Führung entstehen.
Mit Heraeus hat sich UNICEF einen Befürworter der professionellen Spendenwerbung samt Provisionen an die Spitze geholt. Diese Methode ist in der Organisation weiter umstritten. Ihre Verschleierung führte mit zur UNICEF-Krise.
Sorgen an der Basis
"Fundraiser muss man haben, aber das muss transparent sein", betonte Heraeus. "Und die Organisation muss es wollen." Denn an der UNICEF-Basis gibt es auch Sorge, dass sich die Hilfsorganisation zu einem reinen Wirtschaftsunternehmen entwickeln könnte. Das Spendensiegel, das für die Seriosität einer Hilfsorganisation steht, solle so bald wie möglich wiedererlangt werden, sagte der neue Vorsitzende.
Heraeus ist Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes der deutschen Industrie. Sein soziales Engagement hat der neue UNICEF-Chef bisher zwei Stiftungen gewidmet. Eine stehe für Lehrerweiterbildung, die andere unter anderem für betreutes Wohnen, sagte er. Heraeus ist verheiratet und hat fünf Töchter.
Quelle: ntv.de