Politik

"Und wer weint jetzt?" Hillarys Comeback

Es war ein Sieg, der wohl fast alle überraschte, am meisten vielleicht sogar das Wahlkampfteam von Hillary Clinton selbst. Kurz vor der Präsidentschaftsvorwahl in New Hampshire hatten ihre Berater, deren Erwartungen massiv gestutzt worden waren, die geplante Wahlparty am Dienstagabend von einer bereits angemieteten großen Halle in einen halb so großen Saal verlegt. Ein Symbol für eine sterbende Kampagne, wie es die "Washington Post" am Mittwoch rückblickend formulierte. Als dann nach Schließung der Wahllokale die ersten Ergebnisse auf den Monitoren andeuteten, dass entgegen allen Prognosen Barack Obama gestutzt wurde, platzte der Raum schier aus den Nähten. Reporter, die in nahe gelegenen Hotelzimmern noch an ihren Clinton-Nachrufen mit Spekulationen über ein Köpferollen im Hillary-Team gefeilt hatten, eilten herbei - die Verblüffung war ihnen ins Gesicht geschrieben.

Perplex waren auch die Mienen in der Halle einer High School in Nashua, aber damit hörten die Parallelen auch schon auf. Hier hatten sich Obama-Fans zur Jubelfeier versammelt, warteten auf ihren Star, ihren Hoffnungsträger, anfangs nur mit einer Frage beschäftigt: Wie stark wird er seine Erzrivalin einstampfen? Wird er 10 oder 13 Prozentpunkte Vorsprung haben, wie es letzte Umfragen vor der ersten "Primary" angedeutet hatten, vielleicht noch mehr? Und dann das. Als der schwarze Senator schließlich vor die Menge trat, musste er seine Niederlage einräumen, seiner Kongresskollegin zum "hart erfochtenen" Sieg gratulieren, sich selbst mit der Feststellung trösten, dass sein Erfolg auch so alle ursprünglichen Erwartungen übertroffen habe. "Die meiste Zeit dieses Wahlkampfes haben wir weit zurückgelegen."

Dass er und sein Team dennoch von der Entwicklung völlig überrascht worden waren, ließ sich nicht überhören. Planmäßig wurde nach Obamas Rede der Stevie-Wonder-Song "Signed, Sealed, Delivered" abgespielt (sinngemäß übersetzt ungefähr "Unterschrieben, besiegelt, in die Tat umgesetzt"), das Siegeslied der Wahlparty nach seinem ersten Platz bei der Abstimmung in Iowa.

Nicht nur in den beiden Wahlkampflagern wurde bereits am Abend darüber gerätselt, warum es Hillary Clinton gelang, das Blatt zu wenden, "von den Toten aufzuerstehen", wie es am Mittwoch in dicken Buchstaben auf der Titelseite der "New York Post" stand. Es wurde analysiert und nachgerechnet. Kommentatoren der Fernsehsender, die etwa wie bei CNN kurz vor Schließung der Wahllokale noch über die "nicht zu stoppende Flutwelle" Obama gesprochen und Parallelen zur einstigen Vorwahlbegeisterung für Bobby Kennedy gezogen hatten, suchten verlegen nach Erklärungen.

Am Mittwoch gab es dann die ersten. So erfuhr Obama anhand von Statistiken, dass ihm in New Hampshire die Frauen von der Fahne gingen - jene Gruppe, die Hillary in Iowa überraschend im Stich gelassen hatte. 13 Prozent mehr Wählerinnen entschieden sich für sie anstatt für Obama. Sie erhielt auch den größten Teil der Akademiker-Stimmen, und CNN zufolge gaben ihr 11 Prozent mehr über die Wirtschaftsentwicklung besorgte demokratische Wähler den Vorzug als dem Senator. Dass alle in den Erwartungen so schief gelegen hatten, die Umfragen kurz vor dem Urnengang ein geradezu peinlich falsches Bild vermittelten, wurde vor allem auf einen Faktor zurückgeführt: Fast 30 Prozent der demokratischen Wähler, so fanden Wahlforscher heraus, entschieden sich offenbar erst in den vergangenen Tagen, viele davon sogar erst am Wahltag selbst.

Und die Risse im Panzer, die Hillary am Montag zeigte, als sie den Tränen nahe mit brechender Stimme auf die Frage einer Wählerin nach ihrem Befinden antwortete? Die Medien waren am Mittwoch voll von Spekulationen darüber, dass ihr auch das etwas geholfen habe, zumindest bei den Frauen. Ironischerweise stimmte die Fragestellerin selbst für Obama, weil er, wie sie im Fernsehen ausplauderte, so viel "Feuer" und Überzeugungskraft besitze.

Das war wohl nur ein schwacher Trost für ihn und seine Gefolgsleute, die sich durch ein schlichtes Rechenexempel aufzupeppen suchten. Hillary sei in Iowa Dritte und New Hampshire Erste geworden, hielt ein Obama-Fan noch am Vorwahlabend tapfer den enttäuschten Mitstreitern vor. Obama sei einmal Erster und einmal Zweiter geworden. Damit liege er vorn. Das düpierte Heer der Politanalytiker und Kommentatoren wagte unterdessen nur eine Prognose: Es wird ein langes, knappes Rennen zwischen den Beiden, es bleibt immens spannend. Zunächst aber musste Obama auf der Titelseite der New Yorker "Daily Post" die hämische Frage lesen: "Schaut mal, wer weint jetzt?"

Von Gabriele Chwallek, dpa

Quelle: ntv.de

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