Politik

Gewalt wie im Krieg Hunderte Verletzte im Gezi-Park

Der Gezi-Park wird gewaltsam geräumt.

Der Gezi-Park wird gewaltsam geräumt.

(Foto: dpa)

Wasserwerfer und Schockgranaten: Mit kriegsähnlichen Zuständen beschreiben Augenzeugen den Polizeieinsatz gegen Demonstranten im Gezi-Park von Istanbul. Mittendrin: Grünen-Chefin Roth. Die Polizei zerstörte das Protestlager. Aber bricht sie auch den Widerstand?

Die Istanbuler Innenstadt gleicht am Morgen einem Schlachtfeld: Knapp drei Wochen nach Beginn der regierungsfeindlichen Unruhen hatte die türkische Polizei das Zeltlager der Demonstranten im Gezi-Park gestürmt. Mit der gewaltsamen Räumung erlebte die türkische Stadt eine der gewalttätigsten Nächte seit Beginn der Proteste. Hunderte Menschen wurden nach Angaben der Protestbewegung verletzt. Die Polizei habe ihren Einsatz mit einer Gewalt wie im Krieg geführt, kritisierte die Taksim-Plattform, die zu den wichtigsten Organisatoren der Proteste gehört. Die Gewalt werde aber die Proteste im Land nicht stoppen können. Am Sonntagmorgen gab es weitere Auseinandersetzungen.

Die Regierung kündigte an, hart gegen weitere Proteste vorzugehen. Wer den Taksim-Platz betrete, werde als Terrorrist behandelt, zitierte die "Hürriyet Daily News" den für die Verhandlungen mit der EU zuständigen Minister Egemen Bagis. Am frühen Sonntagabend will die islamisch-konservative Regierungspartei AKP ihre Anhänger in Istanbul zu einer Kundgebung versammeln.

Roth ist sprachlos

Grünen-Chefin Claudia Roth warf der türkischen Regierung vor, bei der gewaltsamen Räumung des Parks "Krieg gegen die Menschen" geführt zu haben. Roth war am Samstagabend Zeugin der Polizeiaktion. "Ich habe ja schon viel erlebt an Abräumaktionen", sagte sie anschließend dem "Tagesspiegel". "Aber das hier macht einen sprachlos." Polizisten hätten mit Tränengasgewehren gezielt auf Demonstranten geschossen.

Seit Tagen werden Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt.

Seit Tagen werden Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt.

(Foto: REUTERS)

Roth hatte sich nach der Räumung des Parks zusammen mit Dutzenden Demonstranten in einem Hotel am Rande des Gezi-Parks in Sicherheit gebracht. Doch auch im Innern des Hotels sei das Tränengas sehr dicht gewesen. "Es war echt schlimm, ich habe keine Luft mehr bekommen", sagte sie. "Das ist Krieg gegen die Menschen hier, das ist Krieg gegen alles, was Demokratie heißt." Europa dürfe sich aber nicht von der Türkei abwenden. Das Land sei mehr als die Erdogan-Regierung und werde durch die friedlichen Demonstranten im Park repräsentiert. Mit einem Nein zur Türkei würde Europa "diese Leute im Stich lassen".

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die Protestierenden werfen den Sicherheitskräften Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, weil zur Zeit der Räumung auch viele Frauen mit Kindern sowie ältere Menschen in dem Park gewesen seien. Die Taksim-Plattform verlangte, die Polizei müsse auch aufhören, die Arbeit von Ärzten zu behindern, die den Demonstranten freiwillig helfen.

Die türkische Polizei hatte am Abend in einem präzise vorbereiteten Einsatz mehr als zehntausend Demonstranten unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas aus dem Zeltlager vertrieben. Dann rückte die Stadtverwaltung mit Baggern und Müllfahrzeugen an, um die Spuren des seit mehr als zwei Wochen andauernden Dauerprotestes zu entfernen. Augenzeugen berichteten, die Polizei sei mit mehreren Hundertschaften in das Lager vorgestoßen. Weniger als eine Stunde nach Beginn des Polizei-Angriffs begannen Trupps der Istanbuler Stadtverwaltung damit, das Zeltlager der Demonstranten mit Baufahrzeugen abzureißen.

Wir werden tun, was zu tun ist

Der islamisch-konservative Regierungschef Erdogan hatte zuvor mit einer Räumung gedroht. "Entweder sie räumen den Park oder die Sicherheitskräfte dieses Landes werden wissen, was zu tun ist", sagte er auf einer Kundgebung vor Zehntausenden Anhängern in der Hauptstadt Ankara.

Nach tagelangen schweren Zusammenstößen hatte Erdogan zunächst teilweise eingelenkt. Im Streit um das Bauprojekt im Gezi-Park wolle die Regierung die endgültige Entscheidung des Gerichts abwarten, das die Arbeiten gestoppt hatte. Auch ein Referendum hatte Erdogan in Aussicht gestellt.

Ursprünglich richtete sich der Widerstand einzelner Gruppen gegen die Bebauungspläne der Regierung für den Gezi-Park. Doch das harsche Vorgehen der türkischen Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas sorgte dafür, dass sich die Demonstrationen zu einem landesweiten Protest gegen die Regierung auswuchsen. Dabei wurden nach Angaben des Ärzteverbandes vier Menschen getötet und etwa 5000 weitere verletzt.

Quelle: ntv.de, dsi/dpa/rts

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