Der Kriegstag im Überblick IRIS-T feuert bereits in der Südukraine - Elon Musk reagiert beleidigt auf Melnyk
14.10.2022, 21:33 Uhr
In Washington wird Musks Starlink-Rückzug als "bockig" und "unreif" abgekanzelt.
(Foto: REUTERS)
Westliche Militärs rechnen mit einer ukrainischen Offensive auf Cherson in wenigen Tagen. Im Süden ist das deutsche IRIS-T-System bereits im Einsatz. Putin verspricht ein Ende der Einberufungen und Elon Musk reagiert beleidigt auf einen Tweet von Botschafter Melnyk. Der 233. Kriegstag im Überblick.
Selenskyj skizziert nächste Frontzüge
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat verkündet, er habe mit der Militärführung seines Landes "Schritte zur weiteren Befreiung der ukrainischen Gebiete skizziert". Westliche Militärexperten rechnen damit, dass die ukrainischen Truppen möglicherweise schon in der kommenden Woche in Cherson bis zum Fluss Dnipro durchstoßen könnten. Das berichtete die "Financial Times".
Selenskyj warf Russland vor, Reservisten als "Kanonenfutter" in die Ukraine zu schicken. "Die Verwendung dieser Menschen durch die russischen Generäle als Kanonenfutter erlaubt es ihnen, den Druck auf unsere Verteidiger zu erhöhen." Diese Truppenaufstockung schaffe einen "spürbaren Druck" auf die ukrainische Armee.
IRIS-T bereits im Süden aktiv
Der Oberkommandeur der ukrainischen Armee, Walery Saludschny, nannte die Lage an der Front "kompliziert, aber unter Kontrolle". Allerdings sei die Ukraine auf weitere Hilfe angewiesen. "Die Überlegenheit der feindlichen Artillerie zeigt die Notwendigkeit, die Feuerkraft der ukrainischen Armee zu erhöhen", sagte Saludschny. "Auch die Frage der integrierten Luftabwehr ist entscheidend."
Das vor wenigen Tagen von Deutschland gelieferte Flugabwehrwehrsystem IRIS-T setzt die Ukraine bereits im Süden des Landes ein. Das sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, im Fernsehen. Den genauen Ort nannte er nicht, sprach nur allgemein von "südlicher Richtung". Die Ukraine sei weltweit das erste Land, das dieses hochmoderne Flugabwehrsystem einsetze.
Russische Rekrutierungen verlaufen chaotisch
Bei der Teilmobilmachung im Angriffskrieg kämpft das russische Militär nach Ansicht unabhängiger Experten weiterhin mit großen Problemen. Das Verteidigungsministerium habe "keine angemessenen Bedingungen geschaffen, um den Einsatz eingezogener Männer an der Front einzugliedern und zu verfolgen", schrieb die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington. Russische Militärreporter berichteten demnach, dass die Behörden mobilisierte Soldaten an verschiedene Einheiten entsendeten, ohne deren Einsatzorte ordnungsgemäß zu dokumentieren. Daher hätten sich Familien bei der Militärführung beschwert. Zudem würden Männer mit militärischer Erfahrung in Einheiten eingesetzt, die nicht ihren Fähigkeiten entsprächen. Nach Ansicht eines Reporters könnte dies dazu führen, dass Mütter und Ehefrauen Menschenrechtsgruppen gründeten, die "Russland von innen heraus zerreißen werden".
Putin verspricht Ende von Teilmobilmachung
Nach Aussagen von Kremlchef Wladimir Putin soll die Teilmobilmachung von Reservisten in Russland in den kommenden zwei Wochen abgeschlossen sein. Es seien bislang 222.000 Rekruten von insgesamt 300.000 einberufen worden, sagte Putin zum Abschluss eines Gipfels in der kasachischen Stadt Astana in Zentralasien. Davon seien bereits 16.000 Männer im Kampfeinsatz. Russlands Präsident tritt zudem Befürchtungen der Bevölkerung entgegen, es könnte bereits eine zweite Mobilisierungswelle geplant sein. "Vom Verteidigungsministerium sind diesbezüglich keine Vorschläge eingegangen, und auf absehbare Zeit sehe ich auch keinen Bedarf."
Nach den schweren Angriffen auf weite Teile der Ukraine zu Wochenbeginn drohte Putin weiteren Beschuss an. Von insgesamt 29 ins Visier genommenen Objekten seien 7 "nicht so beschädigt worden, wie das vom Verteidigungsministerium geplant war", sagte Putin. "Aber sie werden sie nachholen, die Objekte." Zugleich betonte er, dass aktuell keine weiteren großflächigen Angriffe geplant seien: "Es braucht derzeit keine massiven Schläge mehr. Jetzt gibt es andere Aufgaben."
Belarus versetzt Streitkräfte in Alarmbereitschaft
Angesichts des Kriegs versetzte die mit Russland verbündete Ex-Sowjetrepublik Belarus ihre Streitkräfte im Rahmen eines "Antiterror-Einsatzes" in erhöhte Alarmbereitschaft. "Es gab tatsächlich Informationen, dass vonseiten bestimmter Nachbarländer Provokationen geplant sind, bis hin zur Besetzung einzelner Gebiete des Territoriums von Belarus", begründete der belarussische Innenminister Wladimir Makej im Interview mit der kremlnahen Tageszeitung "Iswestija" in Astana die Verhängung des Antiterror-Einsatzes. In dem Zusammenhang würden unter anderem die Kontrollen an der Grenze verschärft, sagte er. Seit Wochen gibt es Spekulationen um einen möglichen Kriegseintritt von Minsk an der Seite Moskaus.
Starlink-Kosten: Musk reagiert auf Melnyk
Nachdem der ukrainische Diplomat Andrij Melnyk auf Elon Musks Friedensplan bezüglich des Kriegs in der Ukraine mit einem "Fuck off" regiert hatte, ist dessen Entscheidung, der Ukraine sein Starlink-System-Internet zumindest nicht mehr als Spende zukommen lassen zu wollen, wohl als direkte Reaktion zu verstehen. Auf einen Tweet, der sich mit der chronologischen Reihenfolge von Melnyks harschen Worten und Musks Entscheidung beschäftigt, antwortete der milliardenschwere Unternehmer: "Wir folgen einfach nur seinen [Melnyks, Anm. d. Red.] Anweisungen." Auf Musks Ankündigung gibt es mittlerweile reichlich negative Resonanz. So beschreibt die ehemalige Biden-Sprecherin Jen Psaki in einem Tweet das Verhalten als "unreif" und "bockig". Bisher wurden Berichten zufolge rund 20.000 Starlink-Satelliteneinheiten an die Ukraine gespendet, die das Militär zur Kommunikation nutzt.
Putin erklärt Nord Stream 2 für tot
Deutschland wird nach Einschätzung Putins wohl kein Gas mehr über die noch intakte Röhre der Pipeline Nord Stream 2 akzeptieren. "Eine Entscheidung wurde bislang nicht getroffen und es ist unwahrscheinlich, dass eine gefällt wird. Aber das ist nicht unsere Angelegenheit, es ist die Angelegenheit unserer Partner", sagte Putin. Der Kremlchef hatte kürzlich erklärt, dass russisches Gas weiterhin über den intakten Nord-Stream-2-Strang nach Europa geliefert werden könnte. Ein deutscher Regierungssprecher schloss dies aber aus.
Erdogan lässt Umschlagpunkt bauen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte derweil den Bau eines Umschlagpunkts für Gas aus Russland an. Vorerst würden die Türkei und Russland gemeinsam Vorbereitungen treffen, danach werde man zur Tat schreiten, sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Es gibt hier keine Verzögerung. Wir haben diese Entscheidung heute sofort unserem Minister für Energie und natürliche Ressourcen mitgeteilt". Auch Gazprom-Chef Alexey Miller sei an diesem Projekt beteiligt. Für ein Verteilungszentrum kommt laut dem türkischen Präsidenten die westtürkische Region Thrakien als "geeignetster Ort" infrage.
Ungarn befragt Bürger zu Russland-Sanktionen
Die ungarische Regierung startete derweil eine "nationale Konsultation" zu den EU-Sanktionen gegen Russland. "Wir glauben, dass die Sanktionen uns zerstören", heißt es auf der Facebook-Seite der Regierung. In Brüssel hatte sich Budapest der Verabschiedung der wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen nicht entgegengestellt. Die Umfrage umfasst sieben Fragen und wird an acht Millionen Haushalte verschickt. Darin werden die Teilnehmer unter anderem gefragt: "Befürworten Sie Sanktionen, die die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben", wodurch das "Risiko von Hungersnöten in Entwicklungsländern" und der "Migrationsdruck" an den Grenzen Europas erhöht würden? In einer weiteren Frage sollen die Bürger ihre Meinung zu Maßnahmen gegen den russischen Energiesektor äußern, die von den "führenden Politikern in Brüssel" verhängt worden seien.
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Quelle: ntv.de, mau/AFP/dpa