Politik

Behandlungszahlen steigen jährlich Immer mehr Patienten kommen unters Messer

Oft gibt es Alternativen zu Operationen - etwa bei Rückenschmerzen.

Oft gibt es Alternativen zu Operationen - etwa bei Rückenschmerzen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei Operationen ist weniger oft mehr - das sagen viele Experten. Dennoch: Immer mehr Menschen kommen in Deutschland auf den OP-Tisch. Kritiker werfen Kliniken vor, aus finanziellen Motiven zu handeln. Die Krankenhäuser bestreiten das.

An Deutschlands Krankenhäusern steigt die Zahl der vollstationären Behandlungen Jahr für Jahr um rund 220.000 bis 340.000 - bei nahezu konstanter Bevölkerungsgröße. Das geht aus einer Studie hervor, die Hamburger und Berliner Forscher in gesetzlichem Auftrag erstellt haben. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Behandlungen an der Wirbelsäule, Schmerztherapien und Herzklappen-OPs zu den Behandlungen mit besonders hohen Steigerungsraten zählen. Dieser Zuwachs sei nicht allein mit einer älter werdenden Bevölkerung zu erklären, heißt es in der Studie.

Die Politik hatte 2012 mehr über die steigenden Behandlungszahlen wissen wollen und Klinikträger und Krankenkassen mit der Ausschreibung der Studie beauftragt. Selbst Medizinvertreter wie die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie kritisierten damals, dass es etwa seit 2005 mehr als doppelt so viele Wirbelsäulen-OPs gebe. Zu den Gründen zählten zu viele Kliniken, Operationssäle und zu viel Konkurrenz.

In den untersuchten Jahren 2007 bis 2012 gab es bei den Unikliniken einen Anstieg um 15,9 Prozent auf 1,88 Millionen Fälle, die über die geltenden Pauschalen bezahlt werden. An den anderen Krankenhäusern gab es eine Zunahme um 6,9 Prozent auf 16 Millionen Behandlungen. Besonders planbare Eingriffe hätten zugenommen.

Ergebnisse werden unterschiedlich gedeutet

Die Zahl der Behandlungen nahm vor allem an den Werktagen tagsüber zu. Der Spitzenverband der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bewerteten die Studienergebnisse völlig unterschiedlich.

  • Die Kassen meinten, Patienten würden oft auch aus Umsatzgründen operiert. "Die Krankenhäuser machen das, was sich lohnt", sagte der Klinikexperte des Kassenverbands, Wulf-Dietrich Leber. Die Studie gebe zwar keine Auskunft darüber, ob auch Gesunde operiert würden. Doch der Anstieg sei zum Teil damit zu erklären, "dass einige mit Operationen Geld verdienen".
     
  • Die Klinikträger sehen hingegen die Hauptursache in der steigenden Krankheitslast der Menschen. Behauptungen, die Krankenhäuser würden aus ökonomischen Gründen medizinisch nicht notwendige Leistungen erbringen, hätten keine Grundlage, sagte der DKG-Präsident Alfred Dänzer. So liege es in der Natur der Sache, dass neue und bessere Behandlungsmethoden bei Krebs zu Fallzahlsteigerungen führten.
     
  • Die Studie selbst bleibt in puncto Ursachen zurückhaltend. Die Entwicklung der Krankheitslast habe auf die Behandlungszahlen insgesamt allerdings einen leicht senkenden Einfluss gehabt.

International ist Deutschland nach Österreich mit an der Spitze bei den Behandlungen pro Einwohner in der OECD. In den Niederlanden habe es einen stärkeren Anstieg gegeben, aber auf niedrigerem Niveau.

Das Bundesgesundheitsministerium verwies auf eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die derzeit eine Klinikreform aushandelt. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte: "Über die Möglichkeit zur Zweitmeinung und gezielten Preisabschlägen sollten wir dann gegensteuern." Patienten sollten sich vor einer OP also verstärkt zweite Meinungen von Ärzten einholen können. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der "Welt", die Zweitmeinung solle von den Kassen gezahlt werden. Wenn überflüssige Operationen so vermieden werden, könnten Kosten gespart werden.

Zudem wird laut Spahn und Lauterbach erwogen, Kliniken mit zweifelhaften Ergebnissen bei bestimmten Operationen weniger Geld zu geben - und Zuschläge für Kliniken bei Grundversorgung zu zahlen, so dass der Druck sinkt, durch zusätzliche OPs Geld zu verdienen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte mehr Begleitung und Linderung statt Operationen bei älteren und sterbenden Patienten.

Quelle: ntv.de, fma/dpa/AFP

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