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Größte Seeschlacht aller Zeiten Bei Leyte opferte Japan seine Flugzeugträgerflotte

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Eine schwere Explosion erschüttert den US-Geleitträger "St. Lo" kurz nach dem Kamikazeangriff am 25. Oktober 1944.

Eine schwere Explosion erschüttert den US-Geleitträger "St. Lo" kurz nach dem Kamikazeangriff am 25. Oktober 1944.

(Foto: Corbis via Getty Images)

Im Herbst 1944 setzen US-Truppen zur Befreiung der Philippinen an. Um das zu verhindern, schickt Japan seine Marine in den Kampf. Für die Armada des Tennos wird die größte Seeschlacht der Geschichte im Golf von Leyte zu einem Himmelfahrtskommando.

Am Vormittag des 25. Oktober 1944 herrscht auf der "St. Lo" kurze Erleichterung. Nach einem stundenlangen Gefecht mit japanischen Kriegsschiffen im Golf von Leyte scheint die Gefahr für den US-Geleitträger und seine Einsatzgruppe gebannt.

Doch plötzlich tauchen japanische Flugzeuge am Himmel auf. Statt Bomben zu werfen, steuern sie im Sinkflug direkt auf die amerikanischen Schiffe zu. Augenblicke später durchschlägt eine der Maschinen das Flugdeck der "St. Lo" und explodiert. Binnen einer halben Stunde sinkt der Träger und reißt mehr als 150 Besatzungsmitglieder mit in die Tiefe. Die Attacke markiert den ersten organisierten Kamikazeangriff des Zweiten Weltkrieges und den grausamen Schlusspunkt der größten Seeschlacht aller Zeiten.

"Die Schlacht im Golf von Leyte endete für Japan mit einer schweren Niederlage und dem Verlust seiner Flugzeugträgerflotte", sagt der Japanhistoriker Takuma Melber im Gespräch mit ntv.de. Er spricht von einer "Vorentscheidung im Pazifikkrieg". "Für die Alliierten stand nach der Schlacht der Weg zu den japanischen Inseln offen", so der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Heidelberg.

Landung auf den Philippinen

Im Herbst 1944 stoßen die US-Streitkräfte im Westpazifik auf breiter Front gegen die japanischen Positionen vor. Am 20. Oktober errichten sie Brückenköpfe auf den Inseln Samar und Leyte. In einem gewaltigen Landeunternehmen werden 132.000 Mann und 200.000 Tonnen Material angelandet, um die rund 225.000 japanischen Soldaten von den Philippinen zu vertreiben.

"Eine Rückeroberung des Archipels durch US-Truppen hätte den Verlust der Verbindungslinien zum japanisch besetzten Niederländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien, bedeutet", sagt Melber. "Von dort bezog Japan wichtige Rohstoffe und Zwangsarbeiter." In Tokio ist man sich der Gefahr bewusst. Der Kaiserliche Generalstab plant, den Feind vom Nachschub abzuschneiden und die gelandeten Einheiten ins Meer zurückzuwerfen. Dafür müssen die 3. und 7. US-Flotte ausgeschaltet werden, die die Invasion absichern.

Im Seegebiet des Leyte-Golfs lässt Japan 63 Kriegsschiffe auffahren, darunter die beiden größten Schlachtschiffe der Welt: die "Yamato" und die "Musashi". Hinzu kommen 450 Flugzeuge. Auf der Gegenseite bieten die USA über 220 Schiffe auf, darunter 35 Flugzeugträger. 1200 Kampfflugzeuge sichern die Luftherrschaft.

Flugzeugträger als Köder

Trotz der erdrückenden Übermacht setzt Tokio auf Angriff und teilt dafür seine Armada in drei Gruppen: Die Nordgruppe mit der Trägerflotte verfügt kaum noch über Flugzeuge und Piloten. Unter der Leitung von Vizeadmiral Jisaburo Ozawa soll sie als Köder geopfert werden, um die 3. und 7. US-Flotte vom Hauptkampfgebiet wegzulocken. Die südliche Gruppe unter Admiral Shoji Nishimura und die zentrale Gruppe unter Vizeadmiral Takeo Kurita sollen dann in einer Zangenbewegung die Landungskräfte in der Leyte-Bucht vernichten.

Doch bereits auf dem Weg zum Einsatzort greifen amerikanische U-Boote den japanischen Zentralverband am 23. Oktober in der Palawan-Passage an. Einen Tag später nehmen US-Flugzeuge die Schiffe unter Feuer. Die "Musashi" wird von mehr als 30 Torpedos und Bomben getroffen. Wenig später sinkt der 263 Meter lange Koloss mit 1000 Mann Besatzung.

Die Südgruppe ereilt ein ähnliches Schicksal. Als Nishimuras Verband durch die Surigao-Staße in den Golf von Leyte einzudringen versucht, kommt es zum letzten klassischen Duell zwischen Schlachtschiffen. Nishimura stirbt, als sein Flaggschiff nach mehreren Treffern sinkt. Am Ende ziehen sich seine Einheiten geschlagen zurück.

Kurita ändert seinen Kurs

Nachdem Nishimuras Gruppe ausgeschaltet ist, sichten US-Aufklärer den japanischen Trägerverband unter Vizeadmiral Ozawa nördlich von Luzon. Der Befehlshaber der 3. US-Flotte, Admiral William Halsey, schluckt den Köder. Da Kuritas Schiffe zwischenzeitlich abdrehen, schickt er seine Einheiten nach Norden, um Ozawas Träger auszuschalten.

"Innerhalb weniger Stunden gelang es Halsey, alle vier japanischen Flugzeugträger auszuschalten", sagt Melber. "Aber schon bald wurde ihm bewusst, dass sich das eigentliche Drama 600 Kilometer weiter südlich abspielte."

Denn während Halseys Bomber und Schiffsartillerie Ozawas Verband dezimieren, kehrt Kurita überraschend um, durchquert ungehindert die San-Bernardino-Straße und nähert sich den kaum geschützten Landungskräften.

Am Morgen des 25. Oktober stellen sich mehrere amerikanische Geleitträger und Zerstörer Kurita entgegen. Vor der Insel Samar entbrennt ein hitziges Gefecht. Doch der japanische Vizeadmiral hat keinen klaren Lageüberblick und zeigt sich unentschlossen. Kurz nach neun Uhr stellen die Amerikaner erleichtert fest, dass sich Kuritas Schiffe zurückziehen.

Doch nur kurze Augenblicke später stürzen sich japanische Kampfflugzeuge in Selbstmordmanier auf die US-Schiffe. In Erinnerung an die Taifune im 13. Jahrhundert, die zwei mongolische Invasionsflotten vernichtet hatten, werden sie "Kamikaze" ("göttlicher Wind") genannt. Infolge der Attacke sinkt die "St. Lo", drei weitere Träger werden beschädigt.

"Japans beste Piloten waren bereits gefallen"

"Schon früher im Krieg gab es vereinzelt Selbstmordangriffe", sagt Melber. "In der Seeschlacht von Leyte wurde diese Taktik dann erstmals systematisch angewandt." Die japanische Militärführung habe gehofft, damit die Amerikaner abzuschrecken, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. "Dahinter steckten auch pragmatische Überlegungen", führt der Militärexperte aus. "Japans beste Piloten waren bereits gefallen, der Nachwuchs mangelhaft ausgebildet und in konventionellen Luftkämpfen wenig erfahren."

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Doch auch die Kamikazeangriffe können Japans deutliche Niederlage im Golf von Leyte nicht verhindern. Die Kaiserliche Marine hat fast alle verfügbaren Schiffe eingesetzt und dabei rund die Hälfte verloren. Zu den Verlusten gehören vier Flugzeugträger, drei Schlachtschiffe, zehn Kreuzer sowie zwölf Zerstörer und 300 Flugzeuge. Rund 12.000 japanische Soldaten sind tot. Die Amerikaner verlieren drei Träger, drei Zerstörer, ein U-Boot, mehr als 200 Flugzeuge und 3000 Mann.

"Trotz der deutlichen Niederlage setzte Tokio den Krieg fort", sagt Melber. "Ebenso radikal wie das nationalsozialistische Deutschland folgte Japan in den letzten Kriegsmonaten der Devise 'Sieg oder Untergang'." Im April 1945 erleidet die Kaiserliche Marine mit der Versenkung der "Yamato" den Todesstoß. Doch erst nach den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki kapituliert Japan fünf Monate später bedingungslos.

Quelle: ntv.de

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