Hass, Mord- und Anschlagspläne Innenministerin droht Telegram mit Abschaltung
12.01.2022, 14:49 Uhr
Bei Telegram wird zum Teil offen zu Gewalt bis hin zur Ermordung von Politikern und Wissenschaftlern aufgerufen. Die Nutzer wiegen sich in Sicherheit, das Unternehmen mit Sitz in Dubai reagiert nicht. Innenministerin Faeser will Telegram deshalb notfalls abschalten.
Sollte sich Telegram weiterhin weigern, deutsche Gesetze zu beachten, droht Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Messengerdienst mit Abschaltung. "Wir können auch das nicht per se ausschließen. Ein Abschalten wäre sehr schwerwiegend und ganz klar ultima ratio. Vorher müssen alle anderen Optionen erfolglos gewesen sein", sagte die SPD-Politikerin im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Es sei jedoch offenkundig, dass die bisherigen Maßnahmen wie ein Mahnschreiben des Bundesjustizministeriums zu keiner Veränderung geführt hätten. "Zu sagen, am Ende schalten wir den Dienst ab - das wäre für jeden Anbieter ein empfindliches Übel", betonte Faeser.
Während Unternehmen wie Facebook, Twitter oder Google auf öffentlichen und politischen Druck hin inzwischen vermehrt gegen Fake News, Hass und Hetze vorgehen, bekamen weniger bekannte Angebote wie Telegram immer mehr Zulauf und entwickelten sich zu Sammelbecken für Extremisten, Kriminelle und Verschwörungserzähler. Auf Telegram verbreiten Nutzer in sogenannten Kanälen ungehindert Hass und schmieden in Gruppen Anschlagspläne, ohne dass sie mit einem Eingreifen der Betreiber rechnen müssen. Auch die Terrororganisation "Islamischer Staat" wirbt über den Messenger mit Sitz in Dubai Selbstmordattentäter an wie den Berlin-Attentäter Anis Amri, der im Dezember 2016 mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz raste und dabei 13 Menschen tötete und mehr als 60 verletzte.
Ein Bericht Anfang Dezember 2021 hat die Debatte um Telegram neu entfacht, der offenlegte, wie unverhohlen Nutzer dort einen Mordanschlag auf Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von der CDU planten. Im Visier der Behörden ist der Messengerdienst schon länger. Ein erstes Mahnschreiben vom Bundesamt für Justiz in Bonn ging nach "Tagesschau"-Recherchen im April 2021 an das Unternehmen. Demnach teilte die Justizbehörde darin mit, dass Telegram dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unterliege und bei Verstoß ein Bußgeld von "bis zu fünfzig Millionen Euro" drohe. Eine Antwort blieb aus.
Faeser strebt Lösung auf EU-Ebene an
Bund und Länder verabschiedeten zudem bei der Innenministerkonferenz in Stuttgart im Dezember 2021 eine gemeinsame Erklärung, dass das NetzDG - es schreibt das Löschen und Melden von Hetze und Drohungen auf Plattformen wie Facebook oder Youtube vor - auch um Messengerdienste wie etwa Telegram erweitert werden sollte. Der Chatdienst unterliege dem NetzDG, da er mit seinen Gruppen und Kanälen nicht nur dem Austausch zwischen einzelnen Nutzern diene.
Nach dem Gesetz sind Anbieter zudem verpflichtet, in Europa Anschriften zur Erreichbarkeit vorzuhalten, was bei Telegram nicht der Fall ist. "Ich halte es für einen der wichtigsten Punkte überhaupt, hier das Recht auch durchzusetzen", so Faeser. Die Bundesinnenministerin strebt dafür eine europäische Lösung an, um Telegram zur Kooperation zu zwingen. "Heute sitzt Telegram in Dubai, morgen vielleicht auf den Cayman Islands. Wir werden bei der Durchsetzung des Rechts viel Stärke brauchen. Als deutscher Nationalstaat alleine schaffen wir das nicht." Darüber sei sie mit ihren europäischen Amtskollegen im Gespräch. "Wir müssen dabei immer auch sehen, was passiert, wenn ein Dienst abgeschaltet würde – und dann der nächste Anbieter kommt."
Quelle: ntv.de, joh