Politik

2011 Jahr der Entscheidung Irak reift oder geht unter

US-Truppen nehmen im April 2003 die Hauptstadt Bagdad ein und stürzen das Regime von Saddam Hussein.

US-Truppen nehmen im April 2003 die Hauptstadt Bagdad ein und stürzen das Regime von Saddam Hussein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für den Irak ist 2010 ein Jahr der politischen Krise. Der Nachhall dieser Krise, die durch das Gezanke nach der Parlamentswahl vom März entsteht, wird 2011 noch zu hören sein. Auch der Terror wird sicher weitergehen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer.

Ja, es stimmt, die US-Armee hat die staatlichen Institutionen des Irak 2003 im Haudrauf-Verfahren zerstört. Ja, es stimmt, Washington hat in den ersten Jahren nach dem US-Einmarsch absichtlich oder unabsichtlich die ethnischen und religiösen Konflikte im Irak angeheizt. Doch genau wie bei einem Erwachsenen, der sein Fehlverhalten nicht bis zum Rentenalter mit möglichen Kindheitstraumata rechtfertigen kann, so müssen auch die Iraker allmählich selbst Verantwortung für die Zukunft ihres malträtierten Staates übernehmen. 2011 wird für sie ein Jahr der Entscheidung.

Denn bis zum Ende des Jahres sollen die letzten 50.000 US-Soldaten das Zweistromland verlassen haben. Dann sind die Iraker auf sich selbst zurückgeworfen. Das heißt: Entweder die verschiedenen Fraktionen schließen miteinander Frieden oder sie werden allmählich gemeinsam untergehen.

Positive Effekte durch Abzug der US-Truppen

Der irakische Generalleutnant Abboud Qanbar (r) zeigt einen symbolischen Schlüssel, den ihm Oberst Daniel Bolger (l) bei einer Zeremonie aus Anlass des Abzugs der US-Truppen aus den Städten und Dörfern des Irak in Bagdad überreicht (Archivfoto vom 29. Juni 2009).

Der irakische Generalleutnant Abboud Qanbar (r) zeigt einen symbolischen Schlüssel, den ihm Oberst Daniel Bolger (l) bei einer Zeremonie aus Anlass des Abzugs der US-Truppen aus den Städten und Dörfern des Irak in Bagdad überreicht (Archivfoto vom 29. Juni 2009).

(Foto: picture alliance / dpa)

Der schrittweise Abzug der US-Truppen wird sich nach Einschätzung von Beobachtern im Irak sowohl positiv als auch negativ bemerkbar machen, wobei der positive Effekt wohlmöglich überwiegen wird. Negativ wird sich auswirken, dass die irakische Armee für ihre Anti-Terror-Einsätze künftig keine amerikanische Unterstützung mehr anfordern kann. Diese Hilfe hatte allerdings seit der Reduzierung der US-Truppen auf 50.000 Mann im vergangenen August ohnehin schon abgenommen. Einen positiven Effekt wird der Abzug der Amerikaner haben, weil es den sunnitischen Aufständischen, den Al-Kaida- Terroristen und auch einigen schiitischen Unruhestiftern künftig schwerer fallen wird, Kämpfer und Selbstmordattentäter zu rekrutieren.

Denn in der Propaganda der radikalen Gruppen spielt der "Kampf gegen die illegale Besatzung" eine wichtige Rolle. Da diese Parole nach dem Abzug der Amerikaner nicht mehr benutzt werden kann, haben vor allem die Al-Kaida-Terroristen schon in den vergangenen Monaten damit begonnen, sich in ihren Hass-Botschaften stärker auf die irakische Regierung zu konzentrieren. Die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki nennen sie in Anspielung auf das streng abgeriegelte Regierungsviertel im Herzen von Bagdad "Lügenregierung aus der Grünen Zone".

Terrorzellen sind geschwächt

Optimismus verbreiteten nicht nur Politiker, die sich für einen Posten im neuen Kabinett empfehlen wollten, sondern auch die Offiziere der irakischen Armee. Sie gehen trotz der jüngsten blutigen Anschläge, die sich vor allem gegen Christen und Schiiten richteten, davon aus, dass sie die Sicherheitslage künftig auch ohne US- Unterstützung in den Griff bekommen werden. "Die Zahl der Terroristen, die aus anderen Ländern hierherkommen, ist jetzt schon zurückgegangen. Vor einer Weile waren es noch mehrere Dutzend, die jeden Monat über die Grenzen kamen, jetzt erwischen wir Tag für Tag mehr führende Mitglieder dieser Gruppierungen", erklärt Oberst Hassan al-Rabii. Der scheidende Innenminister Dschawad al-Bolani behauptete kürzlich: "Es gibt nur noch ein paar versprengte, geschwächte Terrorzellen."

Auch Oberstleutnant Ahmed al-Saedi ist optimistisch. "In Sachen Truppenstärke und Professionalität ist die neue irakische Armee auf einem guten Weg", sagt er. Lediglich bei der Beschaffung der für den Anti-Terror-Kampf so wichtigen Geheimdienstinformationen gebe es noch Defizite. Die Frage, ob der Burgfrieden zwischen den Kurdenparteien, den religiösen Schiiten-Fraktionen unter Führung von Al-Maliki, den Sunniten und den säkularen Kräften um Ex-Regierungschef Ijad Allawi halten wird, können die Offiziere aber nicht beantworten. 2011 wird zeigen, ob diese Politiker, die das Schicksal des Iraks in mehr als sieben Jahren seit dem Einmarsch der Amerikaner bestimmt haben, künftig auch ohne Druck aus Washington in der Lage sein werden, Kompromisse zu schließen.

Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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