Regierungskrise in Tunesien Islamist Jebali droht mit Rücktritt
09.02.2013, 18:58 Uhr
Jebali sagt, er wolle spätestens Mitte nächster Woche ein neues Expertenkabinett vorstellen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Lage in Tunesien spitzt sich zu. Nach den Freitagsgebeten gehen erst zehntausende Oppositionelle auf die Straße, um den angeblich von Islamisten ermordeten Politiker Belaid zu betrauern. Dann protestieren Islamisten. Die Regierung des Landes droht zu zerreißen.
Der tunesische Ministerpräsident Hamadi Jebali trotzt selbst der eigenen Partei. Er setzt alles daran, sein Kabinett in eine Expertenregierung umzuwandeln. Nun droht er gar mit Rücktritt für den Fall, dass seine Partei diesen Plan scheitern lässt. Derweil demonstrierten in Tunis tausende Anhänger der islamistischen Regierungspartei gegen ausländische Einmischung und die Vorwürfe, für den Mord am Oppositionellen Chokri Belaid verantwortlich zu sein.
Jebali kündigte gegenüber örtlichen Medien an, er wolle spätestens Mitte kommender Woche ein neues Expertenkabinett vorstellen. Sollte seine Regierungspartei Ennahda im Parlament die Zustimmung dazu verweigern, werde er zurücktreten. Es war das erste Mal, dass der Ministerpräsident mit Rücktritt drohte. Alle Schlüsselministerien, auch die von der Ennahda besetzten Ressorts für Inneres, Justiz und Außenpolitik, müssten von unabhängigen Experten besetzt werden, unterstrich Jebali im Gespräch mit dem französischen Sender France 24.
Partei steht vor einer Zerreißprobe
Jebali, der als Generalsekretär die Nummer zwei in der Partei ist, gehört dem gemäßigten Flügel der Ennahda an, die nun vor einer Zerreißprobe steht. Der Ministerpräsident hatte am Mittwoch nach heftigen landesweiten Protesten wegen der Ermordung des linksgerichteten Oppositionspolitikers Belaid mit der Ankündigung einer Regierungsumbildung überrascht. Seine Partei hatte das Vorhaben jedoch umgehend abgelehnt.
Zu einer Kundgebung in der Nähe der französischen Botschaft in der Hauptstadt Tunis, zu der Ennahdas Jugendorganisation aufgerufen hatte, versammelten sich am Nachmittag mehr als 3000 islamistische Demonstranten. Wie Reporter berichteten, riefen sie gegen Frankreich gerichtete Parolen und ließen die islamistische Regierung hochleben. Als Losungen für die Demonstration waren die "Verteidigung der Legitimität der Verfassungsgebenden Versammlung" sowie der Kampf gegen politische Gewalt und die "Einmischung Frankreichs" ausgegeben worden.
Protest gegen französische Einmischung
Der Protest der Islamisten richtete sich gegen Äußerungen des französischen Innenministers Manuel Valls, der im Zusammenhang mit Belaids Ermordung von "islamistischem Faschismus" gesprochen hatte. Belaid war am Mittwoch in Tunis erschossen worden. Seine Angehörigen machen Ennahda für seinen Tod verantwortlich. Zehntausende Menschen hatten sich am Freitag an den Trauerfeierlichkeiten beteiligt. Zugleich legte ein Generalstreik das öffentliche Leben vielerorts lahm.
An Solidaritätskundgebungen für die tunesische Opposition in Paris und Lyon sowie in den beiden Hafenstädten Marseille und Toulouse beteiligten sich offenbar viele in Frankreich lebende Tunesier. Jeweils mehrere hundert Teilnehmer trugen tunesische Fahnen, Bilder des ermordeten Oppositionspolitikers und Transparente mit den Aufschriften "Es lebe ein laizistisches Tunesien" und "Wir sind alle Chokri Belaid"
Quelle: ntv.de, AFP