Kriegstag in Israel im Überblick Israel bombardiert Gaza so heftig wie noch nie
10.10.2023, 20:19 Uhr Artikel anhören
Luftaufnahme beschädigter und zerstörter Gebäude nach israelischen Luftangriffen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die israelische Luftwaffe setzt ihre massiven Angriffe im Gazastreifen trotz vorheriger Drohungen fort. Am Boden gibt es erneut Gefechte mit Angreifern. Die Zahl der Toten und Verletzten auf beiden Seiten steigt immer weiter. Fünf Deutsche sollen in den Fängen der Hamas sein.
Israel hat am Dienstag Ziele im Gazastreifen mit einer Vehemenz wie noch nie in dem seit 75 Jahren andauernden Konflikt bombardiert. Dabei wurden in Gaza-Stadt ganze Viertel in Schutt und Asche gelegt. Die Angriffe erfolgten trotz der Drohung der radikalislamischen Hamas mit der Erschießung von Geiseln, sollte es auf palästinensischer Seite zu zivilen Opfern kommen. Hamas wollte eine Veränderung und sie wird eine bekommen", sagte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant nahe der Sperranlage zu dem Palästinenser-Gebiet. "Was in Gaza war, wird nicht mehr sein."
Ein Hamas-Sprecher bestätigte, dass zwei führende Hamas-Funktionäre bei israelischen Angriffen getötet worden sind: Wirtschaftsminister Dschawad Abu Schammala sowie Sakaria Abu Maamar. Die radikalen Islamisten feuerten ihrerseits erneut Raketen auf Ziele in Israel ab, zum Beispiel auf die Küstenmetropole Tel Aviv und das Zentrum des Landes. Es waren laute Explosionen des Raketenabwehrsystems Iron Dome zu hören. Berichte über Verletzte gab es nicht.
Militante haben libanesischen Sicherheitskreisen zufolge darüber hinaus zum wiederholten Male Raketen aus dem Süden des Landes Richtung Israel abgefeuert. Israels Armee reagierte mit Artilleriefeuer, wie das Militär mitteilte. Berichte über Opfer lagen auch hier nicht vor. Von wem der Beschuss ausging, war unklar. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah hat nach eigenen Angaben eine Lenkrakete auf einen israelischen Panzer abgefeuert. Die Attacke erfolgte als "Reaktion auf die israelischen Angriffe", hieß es in einer Mitteilung der eng mit dem Iran verbundenen Organisation.
Grenzgebiet wieder unter israelischer Kontrolle
Am Boden soll es laut der israelischen Seite erneut Gefechte mit Angreifern aus dem Gazastreifen gegeben haben. Vier Terroristen seien in der Nähe des Zikim-Strandes knapp zwei Kilometer nördlich des Gazastreifens entdeckt und bei einem Schusswechsel außer Gefecht gesetzt worden. Unklar ist, ob sie getötet wurden.
Das israelische Militär will das Grenzgebiet mittlerweile wieder unter seine Kontrolle gebracht haben. In die Abschnitte, in denen Hamas-Kämpfer durchgebrochen seien, würden Minen gelegt, teilte Sprecher Daniel Hagari mit. An der Grenze bargen israelische Soldaten weitere Todesopfer der Gewaltexzesse seitens palästinensischer Kämpfer.
Totenzahlen steigen immer weiter
Nach Angaben der israelischen Botschaft in Washington hat die Zahl der Toten auf israelischer Seite mittlerweile die Schwelle von 1000 überschritten. Mehr als 2800 Menschen wurden verletzt. Die Opfer waren zumeist Zivilisten, die wahllos in ihren Häusern, auf der Straße und bei einem Musik-Festival getötet wurden.
Die Armee teilte mit, sie habe "etwa 1500 Leichen von Hamas-Kämpfern" in Israel gezählt. Im Gazastreifen starben nach Zahlen des Gesundheitsministeriums durch israelische Luftangriffe 830 Menschen und rund 4250 wurden verletzt.
Die Hamas ruft für diesen Freitag die arabische und muslimische Welt zur Mobilisierung auf. Am Tempelberg in Jerusalem soll es ein Zusammenkommen geben. Von Palästinensern im Westjordanland werden Konfrontationen mit israelischen Soldaten gefordert.
Vermisste Deutsche soll noch am Leben sein
Derweil bemüht sich Deutschland um Erkenntnisse zum Schicksal der mutmaßlich von der Hamas entführten deutschen Staatsbürger. Nach Informationen des ZDF sollen es mindestens fünf Personen sein. Die mutmaßlich nach Gaza verschleppte Deutsche Shani Louk liegt nach Angaben ihrer Mutter schwer verletzt im Krankenhaus. Das berichtete die "Tagesschau" und veröffentlichte dazu eine neue Videobotschaft der Mutter. Die Vermisste soll eine schwere Kopfverletzung haben. Woher die Informationen stammen, bleibt offen. Eine 22-jährige Berlinerin, die mit ihrem Freund zusammen im Urlaub war, wurde laut Medienberichten von der Hamas ermordet.
Die Entführungen und die mutmaßlichen Tötungen deutscher Staatsbürger sind der Grund dafür, dass der Generalbundesanwalt Ermittlungen gegen die Hamas aufgenommen hat. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden "gegen unbekannte Mitglieder der Hamas wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", sagte eine Sprecherin der obersten Anklagebehörde.
Etliche Schülergruppen aus Deutschland konnten sich mittlerweile retten und das Land verlassen - allerdings in der Regel über Flüge aus Drittstaaten. Schüler aus Leipzig und Berlin sitzen nach wie vor noch in Israel fest. Die Bundesregierung zieht Sonderflüge zur Rückholung von Bürgern in Betracht. Die Regierung prüfe, Flugkapazitäten aus Israel zu erweitern. Dazu sei das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes "unter Hochdruck mit Airlines in Kontakt", hieß es aus dem Ministerium.
Israel empört über UN-Aussagen
Die UNO kritisierte indes eine von Israel verkündete komplette Abriegelung des Gazastreifens als völkerrechtswidrig. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 180.000 Menschen in dem Gebiet obdachlos. Im Gazastreifen leben rund 2,3 Millionen Menschen auf engstem Raum. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Volker Türk, mahnte, Zivilisten zu verschonen.
Israel reagierte prompt und scharf auf Kritik Türks. "Mehr als 900 unschuldige Israelis sind tot. Tausende sind verwundet. 260 wurden bei einem Musikfestival getötet. 100 wurden in einem einzigen Kibbuz ermordet. Und trotzdem kann der Hochkommissar sich nicht durchringen, diese barbarischen Taten als Terrorismus zu bezeichnen", teilte die Vertretung Israels in Genf mit.
Quelle: ntv.de, rog/rts/dpa