"Neugründung Boliviens" Ja zur neuen Verfassung
26.01.2009, 14:12 UhrBolivien rückt unter seinem Präsidenten Evo Morales weiter nach links. Etwa 62 Prozent der Wähler stimmten laut vorläufigen Zahlen beim Referendum für eine neue Verfassung. Sie soll der bisher diskriminierten Indio-Mehrheit mehr Rechte und dem Staat größere Kontrolle über die Wirtschaft gewähren. Außerdem eröffnet sie dem Präsidenten die Möglichkeit einer zweiten fünfjährigen Amtszeit. Für den 6. Dezember sind allgemeine Neuwahlen vorgesehen, bei denen Morales für weitere fünf Jahre antreten will. Morales feierte den Erfolg in der Wahlnacht vor tausenden jubelnden Anhängern als "Neugründung" Boliviens.
Reiche wollen nicht teilen
Widerstand gab es in den wohlhabenderen Regionen. In Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando stimmten die Menschen mehrheitlich gegen die Verfassung. Die aus diesen Departements stammenden Anführer der Opposition kündigten eine Fortsetzung ihres Widerstandes gegen den von Morales angestrebten radikalen Kurswechsel des Landes an. Während die Regierung mit warnendem Unterton darauf verwies, dass das Ergebnis des Referendums für das ganze Land bindend sei, forderten Oppositionelle, wie der wohlhabende Unternehmer Branko Marinkoovic in Santa Cruz, einen "nationalen Pakt" zur Überwindung der Probleme.
Ob es wieder "zivilen Widerstand" geben wird, ließ der Präfekt von Beni, Ernesto Surez, zunächst offen. Im vergangenen Jahr waren bei gewaltsamen Auseinandersetzungen Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Seine Kollegin Sabina Cullar aus dem Departement Chuquisaca, wo es ein Patt gab, rief dazu auf, die neue Verfassung zu missachten. Der frühere Präsident von der konservativen Partei Podemos, Jorge Quiroga, appellierte dagegen an die Bolivianer, sie sollten den Streit untereinander beilegen und Kompromisse suchen.
Ende des Kolonialstaates
Morales sagte nach dem Urnengang: "Heute, 25. Januar 2009, sind wir dabei, ein neues Bolivien mit Chancengleichheit für alle Bolivianer zu gründen. Der Kolonialstaat hat ein Ende." Die vorläufigen Zahlen des Abstimmungsergebnisses basierten auf Nachwahlbefragungen, die als seriös eingeschätzt wurden, und Parallelzählungen privater Meinungsforschungsinstitute. Die offizielle Auszählung ging auch am Montag nur langsam voran.
Vorwurf der linken Diktatur
Die konservative Opposition, die sich aus der weißen, wohlhabenden Minderheit rekrutiert, hat Morales wiederholt vorgeworfen, er wolle eine Art linker Diktatur errichten. Er eifere seinem Freund und Mentor, dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chvez, nach. Die in den rohstoffreichen und fruchtbaren Regionen im Osten und Süden des Landes lebenden Nachfahren europäischer Einwanderer, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sehen ihre Freiheit und ihren Wohlstand durch die Forderungen der von Ureinwohnern abstammenden Mehrheit bedroht. Etwa 70 Prozent aller 9,3 Millionen Bolivianer bezeichnen sich als Nachfahren der Ureinwohner. Sie leben im westlichen Hochland und sind überwiegend arm.
Quelle: ntv.de