Die neue Einigkeit nach 40 Jahren Streit Jetzt klatscht selbst Trittin für Altmaier
17.05.2013, 14:44 Uhr
Trittin klatscht, Altmaier freut sich.
(Foto: dpa)
Das Endlagersuchgesetz landet erstmals im Bundestag. Wie zu erwarten, gibt es Wortgefechte - vor allem um die Frage, wo Castoren stehen sollen, bis es einen Standort gibt. Doch die verbalen Attacken sind vor allem dem Wahlkampf geschuldet. Tatsächlich sind sich die Fraktionen im Parlament beim Thema Atomkraft so nah wie nie.
Nichts sagte an diesem Tag in Berlin mehr über den Fortschritt des Atomausstiegs als die Körpersprache von Jürgen Trittin. Wie üblich sitzt der frühere Umweltminister in den Reihen der Grünen ganz vorn im Bundestag. Vom Rednerpult prasseln Worte auf ihn nieder, die er noch vor Monaten mit einem entsetzen Blick quittiert hätte. Ein Unionspolitiker lobt das Bemühen des aktuellen Umweltministers, Peter Altmaier (CDU), bei dem Thema. Er spricht von einem "großen Kraftakt". Und Trittin? Der klatscht.
Bei der ersten Lesung des Entwurfs für ein Endlagersuchgesetz demonstrierte der Bundestag vor allem eines: Nach vier Jahrzehnten des erbitterten Streits um die Atomkraft in Deutschland herrscht erstmals so etwas wie ein Konsens im Parlament.
Nach dem Schottern kam die Wende
Noch im Herbst 2010 beteiligten sich selbst Bundestagsabgeordnete der Linken am "Schottern" der Gleise für Castor-Transporte. Grüne rangen mit sich, ob sie diese Form des Protestes unterstützten dürften. Ein gemeinsamer Kurs mit den Parlamentskollegen von Union und FDP erschien undenkbar. Die hatte schließlich nur Monate zuvor die Laufzeiten für Atommeiler verlängert. Doch schon ein halbes Jahr später, nach der Atomkatastrophe von Fukushima, beschloss der Bundestag, spätestens 2022 das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abzuschalten. Und jetzt steht das Parlament kurz davor, sich auch noch bei der höchst umstrittene Lagerung des radioaktiven Mülls zu einigen. Im Juni soll der Bundestag das Endlagersuchgesetz beschließen, einen Monat später dann der Bundesrat.
Nur die Linke sperrte sich vehement. Ansonsten hörte man im Plenarsaal Schwarze Grünen danken und Rote Schwarzen. Und man sah eben auch Trittin klatschten. Was diese erste Lesung des Endlagersuchgestztes bezeugte, nannte Altmaier denn auch einen "historischen Durchbruch", einen Paradigmenwechsel vom Endlagerverhindern hin zu einer gemeinsamen Suche nach einer Lösung. Später sagte er bei n-tv: "Das gibt es sonst nie bei strittigen Gesetzen." Er fügte hinzu: "Ich gehe davon aus, dass einer Verabschiedung bis Anfang Juli nichts im Weg steht."
Die Kraftwerksbetreiber sollen zahlen
Aber zurück zu Trittins Körpersprache: Natürlich klatschte Trittin nur ganz kurz und wirkte dabei ein wenig verschämt. Der Spitzenkandidat der Grünen befindet sich schließlich im Wahlkampf, da ist es nicht leicht, damit umzugehen, dass ausgerechnet ein CDU-Politiker beim Sprung über die "letzte große Hürde des Kernenergie-Zeitalters" (Altmaier) im Umweltministerium sitzt. Und so machte er auch bei seiner Rede deutlich, dass die Hürde noch nicht genommen ist. "Der Neustart hat viel damit zu tun, dass Vertrauen entsteht", sagte er. Daher müssten die noch offenen Streitpunkte rasch geklärt werden.
Unstrittig ist, dass eine Enquete-Kommission mit Mitgliedern aus allen Fraktionen, aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden bis 2015 Mindestanforderungen für das künftige Endlager bestimmen soll. Danach soll eine offene Suche beginnen, die auch Gorleben als möglichen Standort miteinbezieht. Ebenfalls unstrittig ist, dass keine weiteren Castoren an das Lager im Wendland gehen; damit soll der Eindruck einer Vorfestlegung vermieden werden. Zahlen für die Suche, die wohl rund 2 Milliarden Euro kosten wird, sollen die Atomkraftwerksbetreiber zahlen. Der kritischste Knackpunkt, von dem Trittin spricht, heißt Zwischenlager.
Ein Quentchen Bayern-Bashing vor der Landtagswahl
Bis das letzte Atomkraft in Deutschland vom Netz geht, wird neuer radioaktiver Müll entstehen, der Schätzungen zufolge noch 26 Castoren füllen wird. Bisher haben sich nur die von SPD und Grünen regierten Länder Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bereiterklärt, die Behälter aufzubewahren, bis das Endlager steht. Und vor allem Schleswig-Holstein machte sein Zugeständnis davon abhängig, dass auch weitere Länder Castoren aufnehmen. Trittin kritisierte nun vor allem Bayern und Hessen, dass sie sich dazu nicht bereit erklärten. "Müssen Grüne dort erst die Regierung übernehmen?", fragte er. Dass Trittin sich ausgerechnet diese Länder vornahm, war allerdings wenig überraschend. In beiden steht vor der Bundestags- eine Landtagswahl an. Und nach einem ähnlichen Schema entspann sich auch die Kritik anderer Parlamentarier.
Zieht man diese Wahlkampfrhetorik ab, ließ selbst der grüne Spitzenkandidat, der nicht gerade bekannt dafür ist, zimperlich mit seinem politischen Gegner umzugehen, an der neuen Einigkeit im Parlament beim Ausstieg aus der Atomkraft keinen Zweifel. Der Weg für eine ergebnisoffene Suche nach zuvor festgelegten wissenschaftlichen Kriterien sei frei, sagte er. "Dass dies im Konsens möglich ist, das ist ein gutes Zeichen."
Quelle: ntv.de