Politik

Elternproteste gegen Regierung Johnson ruft Briten zum Abstandhalten auf

Boris Johnson bleibt bei seiner Linie - gibt aber eine "nachdrückliche Empfehlung" ab.

Boris Johnson bleibt bei seiner Linie - gibt aber eine "nachdrückliche Empfehlung" ab.

(Foto: AP)

Großbritannien reagiert anders als andere europäische Staaten auf das Coronavirus und verzichtet auf drastische Maßnahmen. Das ruft Kritik hervor - vor allem bei Eltern schulpflichtiger Kinder. Nun fordert Premier Johnson seine Mitbürger auf, Abstand zu halten und rät von Pub-Besuchen ab.

Premierminister Boris Johnson hat alle Menschen in Großbritannien dazu aufgerufen, unnötige soziale Kontakte und Reisen zu meiden. Die Menschen sollten "Kneipen, Clubs, Theater und andere solche sozialen Orte meiden", sagte der Regierungschef nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats in London. Außerdem empfahl er das Arbeiten von zu Hause aus, falls das machbar sei. Es handele sich um eine "nachdrückliche Empfehlung".

Wer Husten oder Fieber habe, müsse 14 Tage zu Hause bleiben. Dies gelte auch für deren Mitbewohner. Menschen, die sich in einem "sehr schwachen Gesundheitszustand" befänden, sollten zwölf Wochen lang weitgehend vor sozialen Kontakten geschützt werden. Massenveranstaltungen und überfüllte Plätze sollten gemieden werden, sagte Johnson weiter. Konkrete Vorgaben hierzu nannte er aber nicht.

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern will der Premierminister keine Schulschließungen oder Versammlungsverbote verkünden. Im gegenwärtigen Zustand sei dies "nicht notwendig". Kritiker hatten Johnson zuvor vorgeworfen, mit zu laschen Maßnahmen auf das grassierende Coronavirus zu reagieren. Die Regierung will dagegen mit den vergleichsweise kleinen Schritten verhindern, dass der Ausbruch zu stark unterdrückt wird und im Herbst mit voller Wucht zurückkehrt.

Am Montag schickten offenbar viele Eltern ihre Kinder nicht zur Schule, wie mehrere von Reuters gefragte Lehrer berichteten. Auf Twitter hatten Hashtags wie #Covid19Walkout Konjunktur, die zum Boykott des Schulbesuchs aufriefen. Eine Petition für Schulschließungen auf der Internetseite des Parlamentes erhielt fast 600.000 Unterschriften. "Ich glaube, die Regierung handelt unverantwortlich und riskiert zum Schutz der Wirtschaft Leben", sagte Suzana Ilieva aus Doncaster in Nordengland. "Ich habe mit meinem Mann meine eigene Entscheidung getroffen."

Regierung verteidigt Vorgehen

Ein Sprecher Johnsons verteidigte dagegen die Entscheidung. Die Wissenschaft empfehle derzeit nicht, die Schulen zu schließen. Einige sind bereits dennoch zu, da es Verdachtsfälle bei Lehrern oder Schülern gab. Das Bildungsministerium wollte jedoch nicht Auskunft darüber geben, um wie viele es sich handelt.

Bis Montagmorgen waren in Großbritannien mehr als 1500 Infizierte registriert, 36 Menschen sind gestorben. Alle Landesteile sind von der Pandemie betroffen. Die meisten Infektionen gibt es in England. Das Land führt jedoch keine systematischen Tests durch. Daher wird geschätzt, dass die tatsächliche Zahl der Fälle viel höher ist. In den kommenden Wochen erwarten Experten einen gewaltigen Anstieg.

Der britische Gesundheitsdienst NHS gilt schon jetzt als völlig überlastet und marode. Es mangelt an Personal, Betten und medizinischer Ausstattung. So stehen beispielsweise nicht genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung. "Die nächsten Wochen und Monate werden außerordentlich schwer für den NHS in allen vier Landesteilen", sagte Regierungsberater Professor Chris Whitty.

Demonstranten in weißen Schutzanzügen und mit Schutzmasken hatten zuvor von Johnson gefordert, im Kampf gegen die Pandemie alle Menschen zu unterstützen und nicht der Wirtschaft den Vorrang einzuräumen. Man müsse sich vor allem um die Schwächsten kümmern. Johnson folge nicht den Ratschlägen der Weltgesundheitsorganisation wie die meisten anderen europäischen Länder, kritisierten die Demonstranten vor dem Regierungssitz. Mehr als 270.000 Menschen hatten bis zum Nachmittag eine entsprechende Petition unterschrieben.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts

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