Politik

Individualisiertes Prekariat Jugend ohne Protest

Trotz der schwierigen Situation vieler junger Erwachsener auf dem Arbeitsmarkt sind Proteste, wie sie wiederholt in Frankreich aufgetreten sind, in Deutschland nach Einschätzung eines Experten kaum zu erwarten. "Die Chancen von jungen Menschen, die in den 1980er Jahren geboren wurden, haben sich im Vergleich zu früheren Generationen spürbar verschlechtert", sagte der Jenaer Zeithistoriker Rüdiger Stutz. Doch dies münde, anders als bei früheren Generationen oder in Frankreich, nicht in kollektiven Protest, sondern vielmehr in eine stärkere Individualisierung.

Mit der "prekären Generation" oder auch der "Generation Praktikum" im Osten befassen sich Soziologen, Historiker und Erziehungswissenschaftler bei einem zweitägigen Workshop von diesem Montag an in Jena. "Prekär meint, dass sich die Phase zwischen dem Abschluss der Ausbildung und dem Eintritt ins Berufsleben immer weiter öffnet", erklärte Stutz.

Das führe dazu, dass sich diese jungen Erwachsenen oftmals in Endlosschleifen von einer zur anderen Praktikumsstelle wiederfänden, ohne Aussicht auf einen lukrativen Job. Dies habe auch Auswirkungen auf die Familiengründung. Nach Ansicht von Stutz könnte mit dem viel beschriebenen Fachkräftemangel das Los der "prekären Generation" jedoch an den später Geborenen vorübergehen.

Der Widerstand der Jugendlichen gegen die Misere habe sich gewandelt. "Es ist schwieriger geworden, jugendgemäße Protestformen zu finden, ohne dabei etwas zu kopieren", erklärte Stutz, der zur Generationengeschichte forscht. "Die Zeit eines aufreizend provokativen Protestverhaltens wie bei der 68er-Generation scheint vorbei zu sein." Stattdessen würden vielmehr die Möglichkeiten zur Kommunikation und Selbstorganisation des Internets genutzt.

Die Lage in Ostdeutschland unterscheide sich wesentlich von der im Westen. "Diese prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt besteht in Ostdeutschland für alle Altersgruppen und nicht nur für junge Leute." Hinzu komme, dass die jungen Erwachsenen im Osten über ein geringeres Potenzial an finanzieller Unterstützung von ihren Familien verfügen.

Quelle: ntv.de

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