Deutschlandtag in Braunschweig Junge Union macht Ampel Druck bei Migration


Eher der Typ smarter Student - JU-Bundeschef Winkel bei seiner Rede auf dem Deutschlandtag in Braunschweig.
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Während in Berlin die Ampel um Fassung ringt, trifft sich die Junge Union in Braunschweig zu ihrem Deutschlandtag. Israel und Migration sind die bestimmenden Themen am ersten Abend. Und plötzlich erscheint alles ganz einfach.
Als am späten Abend CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Volkswagen-Halle in Braunschweig betritt, feiert ihn die Junge Union (JU) wie einen Popstar. Nicht nur wegen der stampfenden Club-Musik und der Lichtshow, die sofort einsetzt, als er von der Bühne aus erspäht wird. JU-Chef Johannes Winkel erzählt, wie Jubel durch die Whatsapp-Gruppen der Jugendorganisation der Unionsparteien schwappte, als Linnemann zum Generalsekretär berufen wurde. Der platzt gerade in die Präsentation der neuen JU-Werbekampagne "Zeit für Optimisten", die bei den Delegierten vielleicht gerade deswegen gut ankommt, weil es so viele Gründe gibt, pessimistisch zu sein - wegen Israel, Ukraine, Migration, Klima, um nur einige Stichworte zu nennen.
Blickt sie dagegen auf sich selbst, können die Junge Union, aber auch CDU und CSU, gerade allerdings sehr wohl optimistisch sein. Die Union ist im Aufwind, hat in Hessen einen überzeugenden Erfolg eingefahren und liegt im Trendbarometer von RTL und ntv erstmals seit langem wieder klar über 30 Prozent. Bei der Landtagswahl in Bayern war das Ergebnis für die CSU zwar aus der Kategorie "Blaues Auge", aber die Junge Union sieht sich bestätigt. "Die Jugend ist nicht links", ist ein Satz, der am Freitagabend immer wieder fällt.
Bestimmt wird der Deutschlandtag von zwei Themen: Israel und Migration. Vor der Begrüßung durch Winkel werden Schwarz-Weiß-Fotos von Opfern der blutigsten Attacke auf Juden seit 1945, die Hamas-Morde vom 7. Oktober, eingespielt. Winkel findet einfühlsame Worte und sagt, an jedem Platz liege eine Karte mit einem Namen eines Opfers. Es folgt eine Schweigeminute. Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, wird erwartet. Statt wie ursprünglich geplant am Freitagabend, spricht er aber erst am Samstag.
"Konservatives Korrektiv"
Schon im Interview mit ntv.de hatte Winkel sich für eine härtere Gangart in der Migrationspolitik ausgesprochen. Seit Wochen bestimmt das Thema die Schlagzeilen. Der Ampelkoalition gelingt es nicht, es abzuräumen. Es ist zwar nicht so, dass nichts passiert wäre, aber "zu wenig, zu spät" dürfte die Stimmung vieler im Land beschreiben. An diesem Samstag zitiert der "Spiegel" Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Worten: "Wir müssen endlich in großem Stil abschieben" - was Flucht-nach-vorn-artig entschlossen klingt, auch wenn Ampelpolitiker sich durchaus seit längerem für besser funktionierende Abschiebungen aussprechen.
Druck kommt nicht nur von der Union - und der AfD -, sondern auch aus den eigenen Reihen. Auch die FDP will mehr gegen illegale Migration tun. Der Abgeordnete Christoph Hoffmann sprach den Frust bei ntv.de offen aus. Am Freitag diagnostizierte Bayerns Ministerpräsident Söder, die Ampel sei k.o.
Solche Schläge Richtung Berlin sind ganz nach dem Geschmack der Jungen Union. In der Ära Angela Merkels kamen von den bierdurchtränkten Deutschlandtagen oft Querschüsse Richtung Kanzleramt. Jetzt, mit Friedrich Merz an der Spitze, sei es schwerer, das "konservative Korrektiv" zu sein, räumt der Bundesvorsitzende Winkel am frühen Abend vor Journalisten in Braunschweig ein. Doch genau diese Tradition wollen die Jungen in der Union pflegen. Nur, dass es jetzt nicht gegen die eigene Parteispitze geht, sondern gegen die Ampel.
Stramm konservativ, Abgrenzung von der AfD
Dass das nicht einfach Druck von rechts ist, dafür sorgt der Bundesvorsitzende Winkel. Der 31-jährige Rechtsanwalt ist weniger Haudrauf als sein Vorgänger Tilman Kuban, ist eher der Typ smarter Student - aber in seinen Positionierungen nicht minder konservativ. So zeigt er sich bereit, in der Migration mit Scholz zusammenzuarbeiten - die Union dürfe sich aber nicht für einen Formelkompromiss hergeben. Es müsse einen echten Kurswechsel geben. Nichts weniger als die Abschaffung des individuellen Asylrechts fordert der Westfale, wie er es auch im Interview mit ntv.de erläutert hatte. Er verlangt außerdem, Doppelstaatlern den deutschen Pass zu entziehen, wenn sie sich antisemitisch äußern - wie das gehen soll, lässt er offen.
Es ist nicht die einzige Stelle des Abends, die nach AfD klingt. Winkel gelingt es aber, sich abzugrenzen. Über die Rechten sagt er sinngemäß: "Wenn die etwas zu sagen haben, geht es nicht mehr gegen den politischen Islam, dann geht es gegen Muslime. Dann geht es nicht mehr um Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dann wird mit der Pressefreiheit abgerechnet." Und weiter: "Wir müssen Verantwortung übernehmen, sonst war es das mit NATO und EU und unserer Staatsräson gegenüber Israel."
Später lobt Linnemann Winkel für seine Rede und bringt naturgemäß die Berliner bundespolitische Perspektive ein. Er greift Söders Diagnose auf, die Ampel sei k. o. Der hatte außerdem gefordert, die Union solle jetzt als Juniorpartner in eine Koalition mit der SPD gehen. Den Gedanken verwirft Linnemann. Für ihn wären Neuwahlen der bessere Weg, sagt er. Die Wahlkampfschlager liegen auf der Straße, wie er deutlich macht. Neben der Begrenzung der Zuwanderung sind da noch der Stopp des Heizungsgesetzes und die Rückkehr zur Atomkraft. Hinzu kommen Linnemanns Lieblingsthemen wie die weitgehende steuerfreie Aktivrente und die Einfach-mal-machen-Mentalität.
Da stellt sich nur die Frage, wer dann Kanzlerkandidat würde. Friedrich Merz? Oder doch Söder? Auch in dieser Hinsicht wird der Samstag spannend. Dann sprechen beide nacheinander.
Quelle: ntv.de