Atomausstieg bis 2030? Kanzleramt bremst Röttgen
22.02.2010, 20:08 UhrIn der Debatte um die Zukunft der Atomkraft in Deutschland ist Bundesumweltminister Röttgen grüner als es die CDU derzeit erlaubt.
Für seinen Vorstoß zu einer maßvollen Verlängerung der Atommeiler- Laufzeiten hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen kräftigen Dämpfer der CDU-Spitze bekommen. Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Wochenende vor Vorfestlegungen bei den AKW-Laufzeiten gewarnt. Nun legte ihr Sprecher Ulrich Wilhelm nach: Man dürfe nicht nur Erneuerbare Energien und die Kernenergie betrachten. "Es wird darum gehen, alle Energieträger am Ende in den Blick zu nehmen", sagte Wilhelm unter Hinweis auf das für Herbst angepeilte Energiekonzept.
So müssten auch Kohle- und Gaskraftwerke berücksichtigt werden. "Und auf dieser Grundlage der Betrachtung aller Energieträger des Energiemixes muss dann auch die Entscheidung über die Brückentechnologie fallen", sagte er. "Das ist Beschlusslage der Koalition." Die Kanzlerin erwarte, dass sich alle Kabinettsmitglieder an die vereinbarten Abläufe hielten.
Röttgen hatte dagegen betont, der letzte Reaktor könne vom Netz gehen, wenn Ökostrom ihn verlässlich ersetze. Dies werde wohl spätestens 2030 der Fall sein. Erst danach solle Ökostrom auch Kohle- und Gaskraftwerke ablösen. Der Umweltminister hatte so die Dauer der Brückentechnologie Atomkraft allein vom Wachstum der Erneuerbaren Energien abhängig gemacht, das er vorantreiben wolle.
Viele Gegenstimmen

Das Atomkraftwerk Biblis in Hessen.
(Foto: dpa)
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warnte davor, konkrete Jahreszahlen vor der Vorlage des Energiekonzeptes zu nennen. Unionsfraktionschef Volker Kauder sowie Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner sollen Röttgen einen Verstoß gegen Koalitionsabsprachen vorgeworfen haben, verlautete aus Parteikreisen. Kauder soll verärgert den Umweltminister zur Zurückhaltung aufgefordert haben. Kauder habe gemahnt, wer ein seriöses Energiekonzept haben wolle, dürfe keine Vorfestlegungen treffen.
Der Regierungssprecher wies darauf hin, es müssten auch Klimagerechtigkeit, der Preis der Energie sowie die Abhängigkeit vom Ausland analysiert werden. Bei dem zuletzt stark gestiegenen Anteil von Gas am Energiemix ist die Abhängigkeit von Staaten wie Russland besonders hoch, da es nur wenige Lieferländer gibt.
Die Erneuerbaren Energien könnten zunächst beispielsweise auch ältere Kohlekraftwerke ersetzen. Das wiederum würde bedeuten, dass Atomkraftwerke länger laufen könnten. Kohlekraftwerke stoßen anders als Atommeiler besonders viel des Treibhausgases Kohlendioxid aus und gelten daher als ein Hauptverursacher des Klimawandels.
Energiebranche mauert
Massive Vorwürfe kamen ebenfalls vom größten deutschen Energie- Konzern und AKW-Betreiber Eon. "Ohne uns wird der Umbau der Branche nicht stattfinden", stellte der bald scheidende Eon-Chef Wulf Bernotat in der "Süddeutschen Zeitung" fest. Stellvertretend für die vier wichtigen Verhandlungspartner der Bundesregierung - außerdem RWE, Vattenfall und EnBW - fragte er: "Warum redet die Politik nicht mit uns über das Energiekonzept?" Eine Verlängerung der Laufzeiten um nur acht Jahre wäre laut Bernotat zu kurz. Röttgen sagte dagegen: "Wir sprechen miteinander. Es ist ein Austausch auch über die künftigen Anforderungen an die Energiepolitik in Deutschland."
Wilhelm zufolge soll im März ein Forschungsinstitut ausgewählt werden, das ein Gutachten zur Vorbereitung einer umfassenden Reform der Energiepolitik erstellen soll. Vor der Sommerpause will die Regierung dann einen Zwischenbericht der federführenden Ressorts für Umwelt und Wirtschaft beraten. Im Herbst - geplant sei der Oktober - solle entschieden werden. Dazwischen sollen Fraktionen, Länder und Wirtschaft umfassend einbezogen werden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts