Streit um Meinungsfreiheit Karikaturen im Nachdruck
01.02.2006, 13:19 UhrDer Streit über Karikaturen des Propheten Mohammed zieht immer weitere Kreise. Am Mittwoch druckten auch drei Tageszeitungen in Deutschland und Frankreich die Zeichnungen nach, die Ende September in der dänischen "Jyllands-Posten" erschienen waren und jetzt zu heftigen Protesten in der arabischen Welt geführt haben.
Die "Welt" veröffentlichte eine der Karikaturen auf ihrer Titelseite. Auch die "Berliner Zeitung" druckte zwei der insgesamt zwölf Karikaturen ab. Der Nachdruck ist nach Ansicht des Chefredakteurs der Zeitung "Die Welt" sogar eine journalistische Pflicht. "Das ist jetzt ein politischer Vorgang", sagte Roger Köppel.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Journalisten- Verbandes (DJV), Michael Konken, verteidigte den Nachdruck der umstrittenen Mohammed-Karikaturen als "notwendigen Beitrag zur Meinungsbildung". Damit widersprach er seinem Sprecher, der gesagt hatte, dass die Veröffentlichungen mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren seien.
Auf der Titelseite der französischen Zeitung "France-Soir" hieß es: "Ja, wir haben das Recht, Gott zu karikieren." Begleitet wurde dies von einer weiteren Karikatur, die die buddhistischen, jüdischen, muslimischen und christlicher Götter auf einer Wolke zeigt. Im Innenteil des Blattes werden dann die dänischen Karikaturen gezeigt. "Das Erscheinen der zwölf Zeichnungen in der dänischen Presse hat in der muslimischen Welt Emotionen ausgelöst, weil dort die Darstellung Allahs und seines Propheten verboten ist. Aber kein religiöses Dogma kann einer demokratischen und säkularen Gesellschaft auferlegt werden, 'France-Soir' druckt deshalb die kritisierten Karikaturen", schrieb das Blatt.
Vor der dänischen Botschaft in Ankara protestierten mehrere Dutzend Mitglieder der islamischen Partei Glückseligkeit gegen die Veröffentlichung der Zeichnungen in Dänemark. Eine so "geschmacklose Beleidigung" könne nicht mit einer einfachen Entschuldigung wieder gut gemacht werden, erklärte ein Sprecher der Partei, Yayha Incetahtaci, und rief die Bevölkerung zum Boykott dänischer Produkte auf.
Arabische Liga fordert Bestrafung
In Tunis hatten 17 Innenminister aus den Ländern der Arabischen Liga am Vorabend von der Regierung in Kopenhagen die Bestrafung der Verantwortlichen für die Karikaturen gefordert. Die Veröffentlichung der Zeichnungen liegt bereits vier Monate zurück.
In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa demonstrierten zehntausende Frauen gegen die dänische Zeitung. Wütende Studentinnen verbrannten dänische Fahnen. Sie trugen Transparente mit Aufschrift wie "Eine Beleidigung unseres Propheten ist eine Beleidigung für uns" und "Unterstützt den Islam durch den Boykott dänischer Produkte".
"Die anderen haben gewonnen"
Der Chefredakteur von "Jyllands-Posten", Carsten Juste, sagte zu den massiven Straßenprotesten, Boykottaktionen sowie regierungsamtlichen Angriffen aus arabischen Ländern in einem Interview mit der ebenfalls dänischen Zeitung "Berlingske Tidende": "Ich muss zutiefst beschämt zugeben, dass die anderen gewonnen haben." Er hätte vor vier Monaten niemals die Zustimmung zum Abdruck der Zeichnungen gegeben, wenn ihm die Folgen damals schon klar gewesen wären. Das Blatt wollte nach eigenen Angaben mit den Zeichnungen ein Zeichen gegen zunehmende Selbstzensur aus Angst vor islamistischem Druck setzen.
"Jyllands-Posten" druckte eine Entschuldigung des Chefredakteurs ab. Die Zeichnungen hätten nicht gegen dänische Gesetze verstoßen, aber unzweifelhaft viele Muslime beleidigt. Bei ihnen wolle man sich entschuldigen.
Bombendrohung gegen "Jyllands-Posten"
Die Büros der "Jyllands-Posten" in Kopenhagen und im Westen Dänemarks mussten am Dienstagabend geräumt werden, nachdem ein Anrufer vor Bomben gewarnt hatte. Die Polizei durchsuchte die Gebäude, fand aber keine Sprengsätze. Im Internet riefen irakische Aufständische ihre Anhänger zu Anschlägen in Dänemark und Norwegen auf.
Quelle: ntv.de