Politik

Immunitätsausschuss zu Gysi Kein Antrag auf Verfahren

Die jüngsten Stasi-Vorwürfe gegen Linksfraktionschef Gregor Gysi sollen weiter untersucht werden; auf der Sitzung des Immunitätsausschusses des Bundestags gab es keinen Antrag auf ein neues Überprüfungsverfahren.

Auf der nächsten Sitzung in der kommenden Woche will das Gremium zunächst die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, befragen. Der Ausschuss wolle die neuen und jetzt zugänglichen Unterlagen einsehen und sie sich von der Behörde erläutern lassen, sagte Vorsitzender Thomas Strobl (CDU). Geprüft werden solle, ob es konkrete Anhaltspunkte gegen Gysi gäbe und ob ein neues Verfahren gegen den Fraktionsvorsitzenden Sinn mache. Geplant sei ein reines Informationsgespräch, so Strobl. In diesem Stadium sei das aber noch kein neues Verfahren, betonte er.

Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig

Eine Tätigkeit Gysis als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die DDR-Staatssicherheit sei bereits vor zehn Jahren in einem ersten Verfahren im Bundestag als erwiesen festgestellt worden, ergänzte er. Es sei die Frage, ob ein Verfahren noch einmal nötig sei, zumal der Ausschuss nicht sanktioniere, sondern nur öffentlich mache. Zudem sei für die Einleitung eines solchen Verfahrens mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit eine hohe Hürde zu überspringen.

Lengsfeld fordert Reaktion von Lammert

Die frühere DDR-Oppositionelle und Ex-CDU-Abgeordnete Vera Lengsfeld hat eine klare Stellungnahme von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu den Stasi-Vorwürfen gegen Gysi gefordert. Bei erwiesener Stasi-Tätigkeit müsse der Bundestagspräsident den Betreffenden zur Niederlegung des Mandats auffordern, sagte sie der "Thüringer Allgemeinen".

Nach neuerlichen Vorwürfen war Gysi am Mittwoch im Bundestag zum Rücktritt aufgefordert worden. Ihm wurde vorgeworfen, er habe als Anwalt in der DDR Mandanten an die Staatssicherheit verraten. Gysi hat die Vorwürfe jetzt und in der Vergangenheit stets energisch bestritten. Er sprach von einem "traurigen Schauspiel" im Bundestag. Seit Jahren versuchten Politiker anderer Parteien mit allen Mitteln ihn als Person zu beschädigen, um seine Partei Die Linke zu treffen.

Bisky sieht Linke nicht beschädigt

Die Linkspartei sieht sich nach Darstellung ihres Co-Vorsitzenden Lothar Bisky durch die erneuten Vorwürfe gegen Gysi nicht beschädigt. "Die Vorwürfe sind eine Erfindung des Bundestages und der Birthler-Behörde", sagte er im MDR.

Birthler weist Rücktritt zurück

Birthler wies in den in Dortmund erscheinenden "Ruhr Nachrichten" Rücktrittsforderungen aus der Partei Die Linke zurück. "Was soll ich da sagen? Diese Äußerungen einschließlich der Rücktrittsforderungen erzählen mehr über Herrn Gysi und Herrn Lafontaine als über mich und die Arbeit meiner Behörde", sagte sie. Linke-Parteichef Oskar Lafontaine hatte den Rückzug der Bundesbeauftragten gefordert.

Birthler bekräftigte in dem Zeitungsbericht ihre Vorwürfe gegen Gysi. "Wenn wir Zweifel daran hätten, dürften wir die Unterlagen nicht als IM-Unterlagen herausgeben", sagte sie. Sie verwies dabei auf Papiere, die belegen sollen, dass Gysi der DDR-Staatssicherheit Berichte über seinen Mandanten Robert Havemann hat zukommen lassen. Gysis Angaben zufolge hatte er als Anwalt in der DDR keinen Kontakt zur Staatssicherheit, sondern führte Gespräche mit dem Zentralkomitee der SED. Aus den Unterlagen gehe zudem hervor, dass er selbst von der Stasi überwacht worden sei. Dagegen hält Birthler es für erwiesen, dass Gysi Stasi-IM war.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), plädierte für eine offene politische Debatte zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Mitglieder der Partei Die Linke seien immer wieder beteiligt gewesen, wenn Stasi-Vorwürfe geleugnet worden seien, sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler im Deutschlandfunk. Dass Gysi nicht nur ein "dumm funktionierendes Rädchen im Getriebe" gewesen sei, sei völlig klar.

Keine Neuauflage der Regelanfrage

Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" lehnt die Bundesregierung indes neue Versuche ab, vermutete Fälle von Stasi-Spionage in Bundesbehörden aufzuklären. Auf eine entsprechende Anfrage des FDP-Abgeordneten Christoph Waitz habe der Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Neumann (CDU), die Abschaffung der Regelanfrage für den öffentlichen Dienst mit Blick auf Stasi-Verstrickungen verteidigt. Jede andere Verfahrensweise sei "rechtlich problematisch" und würde auch keine "neuen Enttarnungen" bringen.

Waitz nannte diese Erklärung "unhaltbar": "Wir brauchen eine flexible Regelung, die die Stasiüberprüfung wieder in größerem Ausmaß ermöglicht", sagte er der Zeitung. Man müsse einen Weg finden, wie man ehemalige West-Spione der Stasi in Bundesbehörden enttarnen und aus sicherheitsrelevanten Bereichen entfernen könne.

Quelle: ntv.de

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