Politik

"Größter Fehltritt seit Vietnam" Kein Rückhalt für Bush

Der republikanische Senator Chuck Hagel hat US-Präsident George W. Bushs neue Irak-Strategie als den größten Fehltritt der US-Außenpolitik seit Vietnam bezeichnet. Er werde sich gegen die Vorschläge wehren, sagte der Senator aus dem US-Bundesstaat Nebraska, der als möglicher Präsidentschaftskandidat für 2008 gehandelt wird.

Bush hatte in seiner Rede Fehler seiner Irak-Strategie eingeräumt und unter anderem die Entsendung von 21.500 zusätzlichen US-Soldaten angekündigt. Er forderte Iraks Regierung zur Übernahme von mehr Verantwortung auch beim zivilen Aufbau des Landes auf.

Kritik aus dem Iran

Der Iran hat die geplante Entsendung zusätzlicher Soldaten in die Region kritisiert. "Sie ist Teil von Bushs Politik, Amerikas Besatzung auszubauen, und ist zu verurteilen", sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums. "Die amerikanischen Truppen aufzustocken, kann die Spannung und die Instabilität im Irak erhöhen."

Inoffizielle Freude

Inoffiziell erklärten iranische Behördenmitarbeiter jedoch, dass sich die Führung in Teheran insgeheim über die Probleme der USA im Irak freue. "Ein US-Rückzug aus dem Irak ist überhaupt nicht im Interesse des Irans", hieß es in den Kreisen. Die Iraner befürchteten, dass die USA schärfer gegen ihr Land vorgehen würden, wenn sich die Lage im Irak beruhigt.

Amtsenthebung gefordert

US-Schauspieler Tim Robbins (48) ist mit der Irak-Politik der USA hart ins Gericht gegangen. Wer vor dem Krieg gelogen habe, müsse zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Robbins. Er zog einen Vergleich mit Bill Clintons Lewinsky-Affäre. "Warum können wir gegen einen Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, der wegen eines Blowjobs gelogen hat - aber nicht gegen einen Präsidenten, der über Informationen gelogen hat, die zu Krieg, Zerstörung, Chaos und zum Tod von mehr als 100.000 Menschen geführt haben?"

Mit Blick auf die Lage im Irak sagte der Oscarpreisträger: "Wir müssen dort abziehen und wir müssen ihnen Kriegsentschädigungen zahlen." Robbins hatte sich bereits 2003 gegen den Krieg gewandt. "Ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen", sagte der in New York lebende Schauspieler und Regisseur ("Mystic River", "Dead Man Walking") im Rückblick. Lächelnd berichtete der Bush-Kritiker, dass er sogar schon gefragt worden sei, ob er den Präsidenten spielen wolle. "Ich habe Nein gesagt."

Opposition sagt nein

Die oppositionellen US-Demokraten kritisierten die Aufstockung der Truppe und die laufende Offensive gegen Aufständische in Bagdad. Der demokratische Senator John Kerry beschuldigte Bush, den Nahen Osten weiter zu destabilisieren: "Eine Radikalisierung des Islams ist das Ergebnis unserer Politik". Senator Edward Kennedy kündigte eine Gesetzesinitiative an, um die Truppenaufstockung zu verhindern. "Die Eskalation unserer militärischen Verwicklung im Irak ist genau die falsche Botschaft", erklärten Nancy Pelosi und Harry Reid, die Führer der Demokraten im Repräsentantenhaus und Senat. Senator Dick Durbin meinte, es sei Zeit, an einen US-Rückzug zu denken.

Bush: "nicht akzeptabel"

Bush sagte in seiner aus dem Weißen Haus übertragenen Ansprache, mit einer "neuen Strategie" müsse der Demokratie zum Sieg verholfen werden - auch wenn "gewissenlose Terroristen und Aufständische für ein blutiges und gewalttätiges Jahr sorgen werden". Er gestand ein, die Lage im Irak falsch eingeschätzt zu haben. "Wir dachten, die Wahlen 2005 würden die Iraker zusammenbringen und dass wir mit dem Training irakischer Sicherheitskräfte unsere Mission mit weniger US-Truppen erfüllen könnten... aber das Gegenteil geschah". Der US-Präsident erklärte: "Wo Fehler gemacht wurden, liegt die Verantwortung bei mir". Die Situation im Irak sei für das amerikanische Volk und für ihn selbst "nicht akzeptabel".

Baker-Empfehlungen ignoriert

Die seit November angekündigte "neue Strategie" Bushs ignoriert weitgehend die Empfehlungen der überparteilichen "Baker-Kommission". Diese hatte Gespräche mit dem Iran und Syrien sowie die zügige Übertragung der Sicherheitsverantwortung an die Iraker empfohlen.

Zwar betonte auch Bush die Notwendigkeit, dass die Iraker selbst für die Sicherheit sorgen sollen. Zunächst aber sollen mit Hilfe von rund 17.500 neu entsandten US-Soldaten und irakischen Einheiten die unsicheren Stadtteile Bagdads befriedet werden. 4.000 zusätzliche US-Marineinfanteristen sollen in der Unruheprovinz Anbar für Ordnung sorgen. Für die neuen Militärmaßnahmen will Bush 5,6 Milliarden US-Dollar (4,5 Milliarden Euro) in einem Ergänzungshaushalt beantragen. Zudem ist eine zusätzliche US-Wirtschaftshilfe von 1,2 Milliarden US-Dollar vorgesehen.

Entscheidung im Kampf gegen Terrorismus

Der Kampf im Irak entscheide "die Richtung des globalen Kriegs gegen den Terrorismus und über die Sicherheit bei uns zu Hause", betonte Bush in seiner 20-minütigen Ansprache. Das bisherige Scheitern im Irak sei vor allem mit einem Mangel an irakischen und US-Truppen in den Hochburgen der Aufständischen sowie Beschränkungen in der Handlungsfreiheit der Sicherheitskräfte begründet.

Kein unbegrenztes Engagement

Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki habe versichert, dass politische oder religiös-motivierte Einflussnahme auf das Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht länger toleriert werde. Nur die Iraker selbst könnten die Gewalt beenden, sagte Bush. Al-Maliki müsse nun aber, wie versprochen entschieden gegen Aufständische und Milizen vorgehen. Bis November solle Bagdad die Verantwortung für alle 18 Provinzen übernehmen. Wenn die Regierung ihre Versprechungen nicht erfülle, werde sie die Unterstützung des amerikanischen Volkes verlieren. Das US-Engagement im Irak könne nicht unbegrenzt sein.

"Massenhafter Tod" als Folge

Der US-Präsident warnte vor einem zu frühen US-Truppenrückzug, weil das die Islamisten stärken und zum "Zusammenbruch der irakischen Regierung führen würde". Dies würde das Land spalten und "zu massenhaftem Tod von unvorstellbarem Ausmaß führen".

US-Militärs fürchten, dass bei Umsetzung der neuen Strategie noch mehr US-Soldaten als bisher fallen. "Es wird wegen der Truppenaufstockung mehr Gewalt als üblich geben", zitierte die "Washington Post" einen hohen US-Offizier. Ein vor kurzem noch als Kommandeur im Irak eingesetzter US-General meinte der Bush-Plan werde scheitern, weil Al-Maliki nicht gegen die schiitischen Milizen vorgehen werde.

Quelle: ntv.de

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