Ukraine pocht auf Kurswechsel Kiew: Deutschland blockierte Waffenlieferung
14.12.2021, 22:15 Uhr
Angesichts des russischen Truppenaufmarsches brauche die Ukraine zusätzliche Verteidigungswaffen, sagt Selenskyj.
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Im Konflikt mit dem Kreml liefert die westliche Diplomatie laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj keine Ergebnisse. Kiew müsse sich daher gegen einen möglichen Angriff Russlands schützen - und dafür brauche es Waffen. Allerdings mache ihnen Berlin dabei einen Strich durch die Rechnung.
Die Ukraine hat Deutschland vor dem Hintergrund der Spannungen mit Russland fehlende Unterstützung und eine Blockade von Waffenlieferungen vorgeworfen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einem Zeitungsinterview davon, dass Berlin "uns kürzlich daran gehindert hat, im Rahmen der NATO-Zusammenarbeit Lieferungen von Waffensystemen zur Verteidigung zu erhalten". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verwies hingegen auf "das Gebot der Deeskalation" und betonte zugleich die Solidarität mit der Ukraine.
"Jeder demokratische Staat, der sich gegen eine Aggression schützt, muss das Recht haben, diese Art von Defensivwaffen zu erwerben", sagte Selenskyj weiter. In "einigen Hauptstädten" herrsche jedoch immer noch Angst, fügte er offenbar mit Blick auf Berlin zu.
Kiew hatte im November erklärt, dass es angesichts der "Aggression" Russlands zusätzliche Verteidigungswaffen vom Westen erwerben wolle. Wegen des russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze fürchten Kiew und westliche Staaten einen Angriff Moskaus auf die Ukraine. Aus Angst vor einer Eskalation des Konflikts in der Ostukraine hatte der Westen allerdings lange gezögert, Waffen an Kiew zu verkaufen. Schließlich gelang es der ukrainischen Regierung, einige Verteidigungssysteme zu erwerben, darunter Vorrichtungen für US-Panzerabwehrraketen und türkische Drohnen.
Ukraine stockt NATO-Präsenz im Land auf
Bislang hätten die Bemühungen des Westens zur Abschreckung noch keine Ergebnisse gebracht, sagte Selenskyj weiter. Trotz Verhandlungen zwischen Moskau und Washington sei die Zahl der russischen Soldaten und die Militärausrüstung nicht verringert worden. Vergangene Woche hatten US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin über die Situation in der Ukraine gesprochen. Biden drohte im Falle eines Angriffs mit Wirtschaftssanktionen, Putin fordert seinerseits Garantien der Nato bezüglich der Sicherheit Russlands.
Denn die Ukraine ließ jüngst eine höhere NATO-Präsenz im Lande zu. Einem am Dienstag verabschiedeten Gesetz zufolge dürfen sich 2022 wie bereits 2021 ganzjährig in der Ukraine bis zu 4000 NATO-Soldaten, darunter 2000 US-Amerikaner, aufhalten. Bei Militärgerät wurde die Erlaubnis jedoch von 10 Flugzeugen und Hubschraubern auf 40 aufgestockt. Zudem wurde dem Aufenthalt von bis zu 20 Schiffen von NATO-Staaten in ukrainischen Hoheitsgewässern zugestimmt. Ziel seien taktische Übungen und das Training ukrainischer Soldaten. Darüber hinaus sind im kommenden Jahr neun Manöver mit ausländischer Beteiligung in der Ukraine geplant.
Der Kreml-Chef rief die NATO und die USA daraufhin erneut zu "sofortigen" Verhandlungen über Sicherheitsgarantien auf. Eine Osterweiterung des Militärbündnisses sowie die Stationierung von Waffensystemen in der Ukraine und anderen Nachbarstaaten Russlands müssten ausgeschlossen werden, betonte Putin nach Angaben des Kremls.
Baerbock warnt Lawrow
Außenministerin Baerbock unterstrich angesichts der Vorwürfe aus der Ukraine die Solidarität Deutschlands und der EU mit dem Land. Ein "aggressives Agieren Russlands" gegenüber der Ukraine hätte "massive wirtschaftliche und diplomatische Konsequenzen", sagte Baerbock bei einem Besuch in Stockholm. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Außenminister habe sie jedoch auch "deutlich gemacht, dass das Gebot der Deeskalation jetzt das Allerwichtigste ist, gerade auch zur Sicherheit der Ukraine". Sie werbe deshalb "eindringlich" für eine Rückkehr zu Verhandlungen im Rahmen des Normandie-Formats, sagte Baerbock.
Russland warnte sie in einem Telefonat mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow ein weiteres Mal vor einer Invasion der Ukraine. Die "territoriale Integrität der Ukraine darf nicht verletzt werden", schrieb das Auswärtige Amt nach dem Gespräch auf Twitter. Lawrow forderte nach russischen Angaben in dem Telefonat Baerbocks verbindliche Zusagen ein, "die NATO nicht nach Osten auszudehnen".
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow äußerte die Hoffnung auf einen Kurswechsel der deutschen Politik. Die Haltung der alten Bundesregierung habe darin bestanden, Russland nicht zu provozieren, sagte er bei einem Besuch in Stockholm. "Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung diese Position ändern wird, und ihre neue Position nicht nur darin besteht, Russland nicht zu provozieren, sondern (die Ukraine) zu unterstützen und zu verteidigen", sagte der ukrainische Verteidigungsminister.
Quelle: ntv.de, spl/AFP