Berlin spricht von Kriegstreiberei Kiew: Reguläre russische Armee greift an
23.01.2015, 15:48 Uhr
Die Separatisten wollen ihre Offensive bis an die Grenze der Donezker Region ausweiten.
(Foto: AP)
Nach dem Rückzug der ukrainischen Streitkräfte vom Flughafen Donezk wollen die Rebellen weiter Richtung Westen vorrücken. Nach Angaben aus Kiew, greifen "reguläre russische Einheiten" entlang der ganzen Front an.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier verschärft den Ton gegenüber den prorussischen Separatisten im Ukraine-Konflikt. Die jüngsten Äußerungen aus deren Reihen seien "nichts als Kriegstreiberei", sagte er bei einem Besuch in Tunesien. Zuvor hatten die Aufständischen eine neue Großoffensive angekündigt. Es solle die gesamte Krisenregion erobert werden - gegebenenfalls auch über die Gebietsgrenze von Donezk hinaus.
Nach monatelangen Gefechten hatten sich die ukrainischen Truppen am Donnerstag von dem völlig zerschossenen Flughafen Donezk zurückgezogen. In der Ukraine wird die Schlacht um das Areal mit der Schlacht um Stalingrad im Zweiten Weltkrieg verglichen.
Kiew spricht von "regulären russischen Truppen"
Der Sekretär des Sicherheitsrates in Kiew, Alexander Turtschinow, sprach von "regulären Einheiten der russischen Streitkräfte", die eine Offensive gestartet hätten. Die "russischen Terrorgruppen" würden praktisch entlang der ganzen Frontlinie angreifen, "nahe Donezk und im Süden". Die ukrainischen Streitkräfte hätten die Lage aber unter Kontrolle und würden zum Gegenangriff ausholen.
An Russland und die Ukraine appellierte Steinmeier abermals, die Vereinbarungen des jüngsten Ministertreffens in Berlin umzusetzen. "Wir werden nur zu einer Entschärfung des Konflikts kommen, wenn wir beginnen, in den Rückzug von schweren Waffen einzusteigen."
Die Außenminister aus Deutschland, Russland, Frankreich und der Ukraine hatten sich am Mittwochabend in Berlin darauf geeinigt, dass im Osten der Ukraine eine Pufferzone eingerichtet werden soll. Dabei geht es um einen Streifen von 30 Kilometern Breite, aus dem alle schweren Waffen wie Granatwerfer und Mörser verschwinden sollen.
Separatisten wollen keine Feuerpause
Separatistenführer Alexander Sachartschenko drohte den örtlichen Medien zufolge: "Falls ich eine Gefährdung für die Donezker Erde von irgendeiner Siedlung sehe, werde ich diese Gefahr auch dort beseitigen." Bewaffnete Kräfte der "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk würden derzeit auf mehrere Orte in der Unruheregion Donbass vorstoßen. Angebote einer Feuerpause werde es vonseiten der Aufständischen an die Zentralregierung in Kiew vorerst nicht mehr geben, sagte Sachartschenko.
Mit der prowestlichen Regierung in Kiew würden die Aufständischen lediglich Gespräche über Gefangenenaustausch führen. Als Verhandlungspartner erkenne er nur noch Präsident Petro Poroschenko selbst an. Die bisherige Besetzung der Ukraine-Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk bezeichnete der Separatistenführer als "sinnlos".
Moskau macht Kiew verantwortlich
Der russische Präsident Wladimir Putin macht die Führung in Kiew für die jüngste Eskalation der Gewalt verantwortlich. "Die Verantwortung tragen jene, die die verbrecherischen Befehle geben", sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Moskau. Das Militär setze Artillerie und Luftwaffe in der Ostukraine ein. "Und all das wird begleitet von propagandistischen Losungen über Friedensbemühungen", kritisierte er. Auf einen schriftlichen Vorschlag zum Abzug schwerer Waffen aus dem Bürgerkriegsgebiet habe Moskau noch keine Antwort aus Kiew erhalten.
Die Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands hatten zudem vereinbart, dass die Konfliktparteien ihre schweren Waffen aus einer Pufferzone entlang einer Demarkationslinie abziehen. Russland sicherte zu, in diesem Sinne auf die Rebellen einzuwirken. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte am Freitag, Deutschland erwarte von Russland, dass dies auch passiere. Es gebe bei diesen Anstrengungen "noch sehr viel Raum nach oben".
Bereits 5000 Tote
Derweil berichtete ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf, dass die Zahl der Todesopfer im Ukraine-Konflikt auf mehr als 5000 gestiegen ist. Der Konflikt sei gerade in den vergangenen Tagen äußerst blutig gewesen. Zwischen dem 13. und 21. Januar seien 262 Tote bei den Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine gezählt worden. Seit Unterzeichnung des Waffenstillstands Anfang September habe es keine derart tödliche Phase gegeben. Insgesamt seien seit Mitte April 2014 bei den Kämpfen 5086 Menschen gestorben. Zudem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Fast 11.000 Menschen seien verletzt worden.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts