Missbrauch an Jesuitenschulen Kirche soll Opfer entschädigen
27.02.2010, 10:10 UhrDie FDP fordert Sonderermittler und Entschädigungsfonds: Strafrechtlich sind viele Missbrauchsfälle zwar verjährt, doch die katholische Kirche sei gut beraten, sich nicht hinter Verjährungsfristen zu verstecken, sondern sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Eine Umfragen bescheinigen der Kirche unterdessen einen enormen Vertrauensverlust.

Das St. Blasien-Kolleg im Schwarzwald ist eine der betroffenen Schulen.
(Foto: APN)
Die FDP im Bundestag hat die katholische Kirche aufgefordert, einen Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer aufzulegen. Zudem sollte die Kirche unabhängige Sonderermittler in allen deutschen Bistümern einsetzen, sagte der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Ahrendt, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Die katholische Kirche wäre gut beraten, nicht länger wie ein Staat im Staate zu handeln." Wenn die Bischöfe es ernst meinten mit der Aufklärung möglicher Missbrauchsfälle, "sollten sie externe Sonderermittler für alle 27 deutschen Bistümer einsetzen".
Die Sonderermittler könnten die vergangenen Jahrzehnte in enger Kooperation mit den örtlichen Staatsanwaltschaften unabhängig und unparteiisch aufarbeiten, sagte Ahrendt. Angesichts des Ausmaßes der Vorwürfe helfe nur "schonungslose Offenheit." Ahrendt appellierte zugleich an die Bischofskonferenz, "einen Entschädigungsfonds einzurichten, aus dem die Opfer für ihr erlittenes Unrecht einen finanziellen Ausgleich erhalten". Es wäre ein wichtiges Signal an Betroffene, dass "die Kirche sich nicht hinter Verjährungsfristen versteckt, sondern sich in jedem Fall zu ihrer Verantwortung für die Opfer bekennt".
Katholische Kirche in der Vertrauenskrise
Nicht einmal ein Drittel der Deutschen hält die katholische Kirche nach einer aktuellen Umfrage zufolge für ehrlich. Dies berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. Außerdem haben sie auch wenig Vertrauen, dass die Bischöfe bei der Aufklärung sexueller Missbrauchsfälle mithelfen werden. Nur knapp 20 Prozent der für eine zweite Studie Befragten geht einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" davon aus, dass die Kirche zur Aufklärung beiträgt.
Mehr als zwei Drittel waren dagegen der Ansicht, die katholische Kirche arbeite nicht konstruktiv mit den Behörden zusammen. Für die unterschiedlichen Studien im Auftrag der beiden Medien hat das Meinungsforschungsinstitut Omniquest 1000 Menschen befragt.
Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zufolge hält auch von den befragten Katholiken weniger als die Hälfte ihre Kirche für ehrlich und lebensnah. Von den rund 1000 Befragten insgesamt antworteten 29,9 Prozent, die katholische Kirche sei lebensnah - und 32,8 Prozent, sie sei glaubwürdig. Die katastrophalen Ergebnisse sind nicht nur der aktuellen Situation zuzuschreiben, sondern Ausdruck eines langfristigen und schlimmen Vertrauensverlustes, zitierte das Blatt Christian Weisner, Mitinitiator der Basis-Bewegung "Wir sind Kirche".
Drei von vier Befragten (73,3 Prozent) sähen zudem einen Zusammenhang zwischen der zölibatären Lebensweise von Priestern und dem sexuellen Missbrauch Jugendlicher, berichtet die "Frankfurter Rundschau".
Theologe: Zölibatsgesetz abschaffen
Der Tübinger Theologe Hans Küng gibt dem Zölibats-Gebot für Geistliche eine Mitschuld an dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an katholischen Schulen. Es sei auffällig, dass Kindesmissbrauch "massenhaft gerade in der von Zölibatären geleiteten katholischen Kirche" vorkomme, schreibt Küng in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung".
Das Zölibatsgesetz widerspreche dem Evangelium und gehöre abgeschafft. Der Theologie-Professor verweist dazu unter anderem auf den 1. Korintherbrief, Kapitel 7, Vers 2: "Wegen der Versuchung zur Unzucht soll jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben", zitiert Küng. Im System der römisch-katholischen Kirche diene der Zölibat vor allem dazu, dass sich der Klerus durch seine Ehelosigkeit vom christlichen Volk abhebe. Zugleich sei er "der strukturell wichtigste Ausdruck einer verkrampften Einstellung der katholischen Kirchenleitung zur Sexualität".
Viele Probleme der Kirche wie etwa der Priestermangel ließen sich lösen, wenn Kleriker heiraten dürften und auch Frauen zur Ordination zugelassen würden. "Die Bischöfe wissen das, sollten aber auch den Mut haben, es auszusprechen. Sie hätten die große Mehrheit der Bevölkerung und auch der Katholiken hinter sich", schreibt der der Theologe.
Quelle: ntv.de, dpa