Politik

Staatsrechtler zur Überwachung der Linken "Klage wird keinen Erfolg haben"

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Sie dürfte nicht überwacht werden, sagt Ulrich Battis.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Sie dürfte nicht überwacht werden, sagt Ulrich Battis.

(Foto: dapd)

Der Staatsrechtler Ulrich Battis hält es grundsätzlich nicht für problematisch, dass Abgeordnete der Linkspartei mit öffentlich zugänglichen Quellen überwacht werden. Anders sei es allerdings bei Abgeordneten, die vom Bundestag insgesamt in ein Amt gewählt worden seien. Die könne man nicht überwachen. Auch nachrichtendienstliche Mittel hält Battis für nicht zulässig.

n-tv.de: Die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz spaltet gerade die Politik. Regt Sie diese Frage auch auf?

Ulrich Battis: Nein, das kann ich nicht sagen. Sehen Sie, es gibt ja sogar eine höchstrichterliche Entscheidung in der Sache. Der Thüringer Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow hat seinerzeit gegen seine Überwachung geklagt, und das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das ist also nichts Neues, das gibt es schon seit einiger Zeit.

Also ist das alles kein Problem?

Ulrich Battis lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ulrich Battis lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin.

(Foto: picture alliance / dpa)

Natürlich ist der eine oder andere Punkt problematisch. Wenn etwa die mit großer Mehrheit gewählte Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, tatsächlich überwacht wird - das wäre sicherlich ein Punkt, über den man sich auch aufregen könnte.

Dass normale Abgeordnete überwacht werden, halten Sie also für gerechtfertigt?

Ich frage, ob es rechtmäßig ist oder nicht. Und der Auftrag, den der Verfassungsschutz hat, gibt es her, dass bei gegebenem Anlass auch Abgeordnete überwacht werden. Drehen Sie es doch einmal um: Darüber, dass NPD-Abgeordnete überwacht werden, regt sich, soweit ich weiß, niemand auf - außer bei der NPD selber.

Bundesinnenminister Friedrich hat den Vergleich zwischen NPD und Linken auch schon gezogen - finden Sie, dass die beiden Parteien vergleichbar sind?

Rechts-Links-Vergleiche sind immer problematisch. Es gibt schon wichtige Anhaltspunkte dafür, dass Teile der Partei Die Linke politische Konzepte verfolgen, die sehr weit entfernt sind von dem, was bei uns unter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstanden wird. Etwa wenn die DDR als Zukunft bezeichnet wird, wenn Kuba uns als Vorbild hingestellt wird. Dann kann ich nur sagen: Solche Leute sollte man sich schon genauer angucken.

Es werden offenbar aber auch Parlamentarier beobachtet, die eigentlich als Reformer gelten ...

Deshalb sage ich ja: Man muss es differenziert sehen. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, mögliche Aktivitäten gegen das Grundgesetz zu beobachten. Davon sind grundsätzlich auch Abgeordnete nicht ausgenommen. Aber man muss natürlich auch sehen, dass die Abgeordneten Vertreter des Volkes sind und als solche die Exekutive zu kontrollieren haben. Und es liegt nicht in unserem Demokratieverständnis, dass die Exekutive die Legislative kontrolliert. Da ist eine Spannung, das ist ganz klar.

Wie kann man diese Spannung lösen?

Das muss über die Art und Weise der Beobachtung gehen. Bei allgemein zugänglichen Quellen sehe ich überhaupt gar kein Problem. Wenn aber die Arbeit der Abgeordneten überwacht wird, dann halte ich das nicht nur für hochproblematisch, sondern für unzulässig. Und solche Abgeordnete wie Petra Pau, die vom Bundestag insgesamt in ein Amt gewählt worden sind, kann man nicht überwachen. Das geht nicht.

Kritiker sagen, der Verfassungsschutz sollte sich um Wichtigeres kümmern als um die Linke, und bringen die Zwickauer Terrorzelle ins Spiel.

Das ist aber eine ganz andere Sache. Bei der Zwickauer Terrorzelle gab es ein Versagen der Polizei und auch des Verfassungsschutzes. Das ist wahrscheinlich auch ein strukturelles Problem. Man war eben auf dem rechten Auge blinder. Dass es "Döner-Morde" hieß, sagt ja alles. Wenn ich Türke wäre, würde ich mich auch bitter beklagen und sagen: Das zeigt, dass hier einseitig gehandelt wird. Aber dieses Fehlverhalten ist natürlich kein Argument dafür, anderswo gar nichts mehr zu machen. Das kann man nicht gegeneinander aufwiegen. Da muss sich die Linke auch mal an die eigene Nase fassen. Sie selber sagen: Abgeordnete dürfen überhaupt nicht überwacht werden. Wenn das für gewählte Abgeordnete der NPD jetzt auch praktiziert würde, dann möchte ich nicht wissen, wie die Linken-Abgeordneten darauf reagieren würden.

Die Abgeordneten der Linken klagen beim Bundesverfassungsgericht gegen die Überwachung durch den Verfassungsschutz. Halten Sie diese Klage für aussichtsreich?

Ich denke, in dieser Pauschalität wird die Klage keinen Erfolg haben. Es gibt ja schon, wie eingangs gesagt, die Entscheidung im Fall Ramelow. Er hat verloren. Dass die Richter des Bundesverwaltungsgerichts ihre Meinung ändern, ist nicht zu erwarten. Und dass das Bundesverfassungsgericht das grundsätzlich anders sieht, halte ich zumindest für zweifelhaft.

Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz eigentlich genau in unserem politischen System?

Es gibt keinen größeren Staat auf der Erde, der keine Geheimdienste oder Nachrichtendienste hat. Bei uns gibt es offiziell keinen Geheimdienst, bei uns gibt es offiziell nur Nachrichtendienste: den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst. Die sollen Informationen sammeln. Helmut Kohl soll gesagt haben, dass sie ohnehin nur das bringen, was man sowieso schon weiß. Wenn es woanders auch keine Nachrichtendienste gäbe, dann könnten wir sie uns sparen. Aber es gibt ja auch zum Beispiel Industriespionage im großen Stil, für die die Nachrichtendienste zuständig sind. Ich finde es problematisch, dass es in Deutschland gleich drei Dienste gibt. Aber in den USA gibt es sechzehn.

Heißt das, die Nachrichtendienste müssen reformiert werden?

Behörden müssen immer reformiert werden.

Mit Ulrich Battis sprach Brigitte Volkmann

 

Quelle: ntv.de

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