Debatte im Bundestag Klares Ja zu ISAF
20.09.2007, 07:22 UhrDie Bundesregierung hat im Parlament für eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan geworben. Außenminister Frank-Walter Steinmeier rechtfertigte dabei die Zusammenlegung der Mandate für die Beteiligung an ISAF und den Einsatz der Tornados. Bis auf die Linksfraktion befürworteten alle Fraktionen die Verlängerung. Die Grünen wollen wegen der Zusammenlegung der beiden Mandate jedoch trotzdem mehrheitlich mit Nein oder Enthaltung stimmen.
Steinmeier sagte zur Verlängerung beider Einsätze: "Wer heute den Abzug der Truppen aus Afghanistan fordert, der setzt all das aufs Spiel, was wir in den letzten sechs Jahren dort aufgebaut haben." Der SPD-Politiker verwies auf die Erfolge beim Wiederaufbau, räumte aber auch ein: "Der Weg hat sich als schwieriger erwiesen, als viele von uns erhofft haben."
Verteidigungsminister Franz Josef Jung erinnerte daran, dass Sicherheit und Wiederaufbau sich gegenseitig bedingten. Er sagte, es sei auch im Interesse der Sicherheit der deutschen Bürger, dass Afghanistan nicht wieder "Ausbildungszentrum für den Terrorismus werde". Der CDU-Politiker betonte, dass die Anstrengungen für die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte verdreifacht werden sollen, damit das Land schneller für seine eigene Sicherheit sorgen könne.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Werner Hoyer, sprach sich für die Mission aus. "Ich halte diese Operation nach wie vor für erforderlich und es wäre ein Riesenfehler, sie jetzt plötzlich zu beenden." Dennoch sehe er "erheblichen Nachsteuerungsbedarf", so Hoyer bei n-tv. So müsse die NATO sehr viel politischer an das Thema herangehen und außerdem der Aufbauteil erheblich verstärkt werden. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Kolbow zeigt3 sich davon überzeugt, dass es in der SPD-Fraktion eine "auskömmliche Mehrheit" für die Afghanistan–Einsätze geben wird. "Wir haben Abgeordnete, die gereist sind und sich überzeugt haben, dass das nützlich und notwendig ist, was die Tornados an Aufklärung für Schutz der eigenen Soldaten, aber auch für die afghanische Zivilbevölkerung aufweist" sagte Kolbow bei n-tv.
Grüne in der Zwickmühle
Die Grünen bemühten sich nach ihrem kontroversen Parteitag, ihre Unterstützung für das ISAF-Mandat und ihr Nein zum Tornado-Einsatz zu erklären. Abgestimmt werden soll im Oktober – und zwar im Paket, denn für die Verlängerung der Einsätze wurden die bisher getrennten Mandate für ISAF und Tornados zusammengefasst. Das hatte das Bundeskabinett am Vortag beschlossen.
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn unterstrich die Zustimmung seiner Partei zu ISAF. Dass die Mehrheit der Grünen-Abgeordneten dennoch mit Nein oder Enthaltung stimmen werden, begründete er mit der Zusammenlegung der Mandate. Hinsichtlich der Tornados gebe es nämlich Differenzen in seiner Partei, sagte er. Am Samstag hatte ein Sonderparteitag die Fraktion gegen den Willen der Führung aufgefordert, die Zustimmung zu verweigern. Von der Regierung verlangte Kuhn eine "klare Evaluation dessen, was die Tornados in dem vergangenen halben Jahr tatsächlich gemacht haben".
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, betonte bei n-tv: "Die Abgeordneten entscheiden sich frei." Bei allen Diskussionen innerhalb der Partei sei klar, dass Afghanistan nicht im Stich gelassen werde. "ISAF, also Militär, ist zur Unterstützung dabei notwendig. Das wird ja gar nicht in Frage gestellt", sagte Künast bei n-tv. Zugleich forderte sie ein Ende der Operation Enduring Freedom (OEF). Die US-geführten Truppen nähmen keine Rücksicht auf zivile Opfer. "Es gibt keine Begründung mehr für OEF. OEF muss weg." Diese schade dem Versuch eines Wiederaufbaus eines demokratischen Afghanistans.
Linke generell gegen Afghanistan-Einsatz
Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, ging mit der Afghanistan-Politik der Regierung scharf ins Gericht. Die Soldaten schützten den Wiederaufbau nicht, sondern behinderten ihn. Nach der Logik, mit dem Militäreinsatz Menschenrechte in Afghanistan durchzusetzen, müsse man auch in Saudi-Arabien und vielen anderen Ländern militärisch eingreifen, sagte er. Es sei auch Unsinn zu behaupten, bei einem Abzug des Militärs würden die Taliban an die Macht zurückkehren. "Die Mehrheit der Bevölkerung steht auf unserer Seite, nicht auf Ihrer", sagte er unter Berufung auf Umfragen an die Adresse der Regierung. Und die afghanische Bevölkerung empfinde das militärische Engagement als "Besatzung, nicht als Befreiung".
OEF auch in SPD heftig umstritten
Die Nato-geführte ISAF-Truppe soll die Sicherheitslage Afghanistans stabilisieren helfen, mit Unterstützung der sechs Tornados. Die Regierung sieht dafür bis zu 3500 Soldaten vor. In der Nacht hatte der UN-Sicherheitsrat das internationale ISAF-Mandat verlängert. Über das besonders - auch in der SPD - umstrittene Mandat für einen deutschen Beitrag zum US-geführten Antiterror-Einsatz Operation Enduring Freedom soll erst im November abgestimmt werden.
Warnung aus Kabul
Die afghanische Regierung warnte auch vor Folgen für Deutschland im Fall eines Truppenabzugs. "Wenn man die Extremisten nicht hier besiegen kann, dann ist die Sicherheit Deutschlands in Gefahr," sagte der Sicherheitsberater von Präsident Hamid Karsai, Salmay Rassul, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kabul. Man wisse, dass in Deutschland festgenommene Terrorverdächtige auch Kontakte in die Region gehabt hätten. "Es könnte noch mehr von ihnen geben", meinte Rassul.
Die Deutsche Polizei-Gewerkschaft lehnt die Entsendung von weiteren Ausbildern nach Afghanistan ab. In Deutschland fehlten 10.000 Beamte, sagte ihr Vorsitzender Rainer Wendt. Deshalb gebe es kein zusätzliches Personal für Auslandsmissionen.
Quelle: ntv.de